Anzeige

Vertrauenssache: indischer Papa sucht die Braut


Hello all,
vor ein paar Tagen hatten wir ein befreundetes Ehepaar aus Indien zu Besuch.
„War das bei Euch eine Liebesheirat oder eine arrangierte Ehe?“ fragte unser junger indischer Geschäftsfreund Arhant. „Liebesehe“, antwortete meine zweite Hälfte des Himmels – zu meiner großen Erleichterung -. Arhants Ehefrau Mangal warf meiner Frau einen mitleidigen Blick zu. „so unvernünftig“ blitzte es offenkundig aus ihren Augen. „Ging die letzten 39 Jahre ganz OK“. Nun hatten wir Mangals Aufmerksamkeit.
„Liebesehen sind bei uns in Indien noch selten. Unsere Ehe haben vor sieben Jahren die Eltern angebahnt“ sagte Mangal und wackelte sacht mit dem Kopf. „Eure Eltern?“ „Ja, natürlich. Wem sonst sollten wir eine so wichtige Angelegenheit anvertrauen? Wer kennt uns besser als die Eltern? Wer liebt uns mehr als unsere Eltern?“ sekundierte Arhant. Seine Mangal lächelte wissend. „Mein Vater hat mir gesagt, ich solle mich auf’s Studium konzentrieren, Freundschaften an der Uni nicht mit Ehegedanken belasten. Nach einem möglichst guten Master Degree (Studienabschluss) solle ich mir einen Job in einer rennomierten Firma hier in Bangalore suchen – er würde mir bis dahin passende Familien und deren heiratswilligen Töchter vorstellen. Ja, so haben Mangal und ich uns kennen gelernt. Kein Zwang, ein Vorschlag“. Mangal wackelte zustimmend mit dem Kopf „ Damals sind wir zwei nach diesem Vorstellungsessen bei uns zu Hause für eine Stunde alleine spazieren gegangen. Wir haben uns gut verstanden. Wir sind beide Jain (eine der Religionen in Indien), sprechen die gleichen Sprachen, haben ähnliche Interessen und wohnen im gleichen Distrikt. Nach diesem Spaziergang haben wir beiden Eltern beim Tee gesagt, dass wir den Vorschlag gut finden und wir uns verloben können. Ein Jahr lang haben wir uns fast jede Woche gesehen und dann geheiratet. Heute haben wir zwei Kinder, wir leben mit meinen Eltern (väterlicherseits) , meinem großen Bruder, der Schwägerin und deren zwei Kinder im selben Haus. Es ist nie langweilig, immer gibt’s was zum Essen und Lachen um uns herum“.
„Und Liebe?“ wollte meine zweite Hälfte des Himmels nun doch wissen. „In Indien läuft das in anderer Reihenfolge als im Westen“, sagte Mangal. „Für uns ist die Familie ein extrem wichtiges Projekt. Wir Eheleute tragen dafür die Verantwortung, dass der Klan erfolgreich wird. Aus dieser Aufgabe entsteht Partnerschaft, wächst Vertrauen. Aus dem Vertrauen und Gemeinsamkeit wächst Liebe zueinander“. “Immer?” “Nein, leider nicht. Es klappt manchmal gar nicht. Das bringt großes Unglück für die Familien. Deswegen müssen wir uns alle anstrengen, Hausfrieden zu bewahren”.
– Ich will an dieser Stelle einer von den Eltern arrangierten Ehe keine Lanze brechen, zumal ich so nie zu meiner zweite Hälfte des Himmels gefunden hätte. Nur so viel: 2008 galten 90% aller Eheschließungen in Indien als arrangiert. Die Scheidungsquote lag bei 2%, was sicher nicht viel über Glück oder Unglück in der Ehe sagt. –
Mir geht es in diesem Blog um Aspekte wie unterschiedlich auf diesem Globus Jung und Alt zusammen leben. Modernste Hochhäuser und Elektronik in Bangalore und Mumbay koexistieren mit uralten Wertvorstellungen. Wie tief kann, ja muss das Vertrauen zwischen Kindern und Eltern in Indien ausgeprägt sein, um sich darauf einzulassen, die Suche potentieller Ehepartner den Eltern zu überlassen? Wie viel Mut und Fingerspitzengefühl müssen solche indischen Eltern aufbringen, um auch nur halbwegs den Seelenfrieden bei dieser heiklen Aufgabe zu finden? Mit vermutlich mehr oder minder viel unguten Beispielen aus dem Freundeskreis vor Augen.
So wie Arhant und Mangal sich ansahen und ihre Köpfe in gemeinsamer Zustimmung wiegten, gab’s wenig Zweifel für uns: da saßen zwei Liebende, im sechsten Ehejahr. Vermutlich hart erarbeitet, von Jung und Alt. Respekt.
Ihr Global Oldie

Eine Antwort

  1. Tradition und individuelles Vertrauen (in die indischen Eltern) schließen sich aus, weil erstes nur dann bestehen kann, wenn man es nicht hinterfragt. Wird die Tradition – aus welchen Gründen auch immer – hinterfragt oder gar negiert, entzaubert sich ganz schnell ihr ach so friedlicher Charakter. Erst wenn Traditionen nicht mehr alleine den Alltag der Menschen bestimmt, entwickeln sich Individuen, die ihr Leben in Selbstbestimmung leben können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

weitere Beiträge

Die Rezepte unserer Omas

Skip to content