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Beschwerdestelle hilft Opfern von Diskriminierung

Detlev Janetzek hilft bei der Beschwerdestelle gegen Diskriminierung Menschen, die ausgegrenzt wurden. Foto: NN-Archiv
Alle Menschen in Deutschland genießen Schutz vor Diskriminierung, ungeachtet ihres Alters, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer sexuellen Identität, ihres Geschlechts oder einer möglichen Behinderung. So will es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das vor genau sechs Jahren in Kraft getreten ist. Aber nicht jeder hält sich an diese Paragrafen. Deshalb beschäftigt die Stadt Nürnberg seit über einem Jahr einen eigenen Beauftragten für Diskriminierungsfragen: Detlev Janetzek ist ein gefragter Mann.
Das Telefon in seinem Büro klingelt fast ununterbrochen. Gerade ruft eine Frau mit osteuropäischem Nachnamen an und bittet um einen Beratungstermin. Ein durchaus typischer Fall für den Juristen, Bankkaufmann und ehemaligen Sozialamtsleiter. Mehr als die Hälfte aller Beschwerden über Diskriminierung bezieht auf die Herkunft der Betroffenen. Häufig richtet sich die Klage gegen die städtische Verwaltung.
»Bei einem amtlichen Bescheid etwa lässt sich noch relativ schnell und konkret sagen, ob jemand tatsächlich diskriminiert worden ist«, sagt Janetzek (60). Wie schnell man mit vorschnellen Urteilen jemanden diskriminiert, erleben viele ältere Frauen, die mit deutlich jüngeren Männern anderer Nationalität verheiratet sind. Sie sind häufig dem Verdacht der Scheinehe ausgesetzt. Gibt es jedoch keine anderen Hinweise darauf als das Alter der Beteiligten, ist relativ schnell klar, dass eine Diskriminierung vorliegt. In anderen Bereichen sei das schon deutlich schwieriger auszumachen, etwa wenn jemand davon überzeugt ist, aus Altersgründen eine Stelle nicht erhalten zu haben, sagt Janetzek.
Am Anfang eines jeden Beratungsgesprächs, dessen Inhalte grundsätzlich vertraulich behandelt werden, steht die Frage, ob es sich tatsächlich um einen Fall von Diskriminierung handelt. Das ist nicht immer einfach zu klären, weder im Hinblick auf das konkret Vorgefallene noch auf das Gesetz. Denn die Vorschriften zur Antidiskriminierung, auf die Janetzek seine Arbeit stützt, sind in vielen verschiedenen nationalen und internationalen Regelwerken definiert. Das wichtigste ist dabei das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aus dem Jahr 2006, aber auch UN-Konventionen spielen eine Rolle.
»Es ist entscheidend, dass die Betroffenen frühzeitig kommen und nicht erst, wie leider üblich, wenn ein Rechtsproblem auftaucht«, sagt Janetzek. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sehe eine Zweimonatsfrist vor, innerhalb der Schadenersatz oder eine Entschädigung geltend gemacht werden können. Die Betroffenen, die er berät, hätten am häufigsten Probleme im Zusammenhang mit der Arbeitswelt. Hinzu kämen Schwierigkeiten bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung oder Unzufriedenheit mit der Betreuung. Werden ältere Menschen diskriminiert, so geschehe das häufig in Verbindung mit einer Krankheit, Behinderung, der ethnischen Herkunft oder dem sozialen Status.
Gerade im Berufsleben fühlen sich Ältere oft nicht mehr erwünscht, kommen bei Stellenausschreibungen nicht zum Zuge oder werden gar gemobbt, weiß der Berater. In all diesen Fällen sei es wichtig, sich genau aufzuschreiben, wann was passiert sei. Werde bei einer Stelle ein jüngerer Bewerber trotz schlechterer Qualifikation vorgezogen, sei es besonders schwierig nachzuweisen, dass tatsächlich das Alter den Ausschlag für die Stellenbesetzung gegeben habe.
»Allerdings müssen nicht die Opfer beweisen, dass sie diskriminiert worden sind, sondern die Beschuldigten müssen darlegen, dass das nicht der Fall war«, erläutert Janetzek die sogenannte Beweislastumkehr. Sie gilt dann, wenn zumindest die Indizien gesichert sind. In der Regel nehmen die Beschuldigten dann auch Stellung zum Vorwurf.
Nach einem Beratungsgespräch ergreift Janetzek die jeweils erforderlichen Maßnahmen – mit dem Einverständnis des Betroffenen. »Wir schreiben die Unternehmen oder sonstigen Beschuldigten dann an und bitten um eine Stellungnahme«, berichtet er. Auch wenn Verwaltungsvorgänge diskriminierend sind, wird er aktiv.
Bei Konflikten kümmern sich außerdem 16 von der Stadt Nürnberg interkulturell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren darum, eine für beide Seiten erträgliche Lösung zu finden. Derzeit werden noch 16 weitere Konfliktmanager geschult, um der Menge der Diskriminierungsfälle Herr zu werden: 200 solcher Fälle hat es bislang in einem Jahr gegeben, und damit hatte auch Detlev Janetzek nicht gerechnet. »Es hat mich erstaunt, dass es so viele beratungssuchende Betroffene gibt.«
Hohe Dunkelziffer
Eine Einigung, wie auch immer sie aussehen mag, ist wichtig. »Geschieht nichts, entsteht schnell Verbitterung, und die Betroffenen haben möglicherweise Probleme, ihr Leben zufrieden weiterzuführen«, berichtet der Berater.
Grundsätzlich ist der Beauftragte für Diskriminierungsfragen für die Nürnberger Bürgerinnen und Bürger zuständig sowie für die Fälle, die innerhalb der Stadt passiert sind. Aber auch Anrufer aus dem Umland oder den Nachbarstädten erhalten durchaus einen Ratschlag am Telefon und die Anschrift der zuständigen Stelle, an die sie sich wenden können. In der Regel ist dies die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin, denn eine vergleichbare Einrichtung wie in Nürnberg gibt es in ganz Bayern nicht. Bei der Berliner Fachstelle hat aktuell rund ein Fünftel aller Anfragen mit dem Alter zu tun. Wie häufig tatsächlich Diskriminierungen im Alltag vorkommen, kann niemand genau sagen. Experten gehen von einer Dunkelziffer von 80 Prozent aus.
Alexandra Buba
Der Beauftragte für Diskriminierungs-
fragen beim Menschenrechtsbüro der
Stadt Nürnberg:
Detlev Janetzek
Tel. 0911/231-10312
E-Mail: detlev.janetzek@stadt.nuernberg.de

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