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Null Toleranz in der Fußgängerzone

Es ist ein leidiges Thema: Fußgänger und Radler kommen sich in der Erlanger Innenstadt häufig in die Quere. Vor allem Älteren jagt das mitunter Angst ein. Ist immer der andere schuld? Unser Autor Herbert Fuehr hat sich in einer nicht zu ernst zu nehmenden Typologie in die Befindlichkeiten der Akteure hineinversetzt.

Radfahrer in Erlangen
In Erlangen ist das Radfahren in der Fußgängerzone zu bestimmten Zeiten erlaubt. Das passt gerade den Älteren nicht, die um ihre Sicherheit fürchten. Foto: Michael Matejka

Es ist ein leidiges Thema: Fußgänger und Radler kommen sich in der Erlanger Innenstadt häufig in die Quere. Vor allem Älteren jagt das mitunter Angst ein. Ist immer der andere schuld? Unser Autor Herbert Fuehr hat sich in einer nicht zu ernst zu nehmenden Typologie in die Befindlichkeiten der Akteure hineinversetzt, mit Unterstützung von Helga Steeger, der Vorsitzenden des Seniorenbeirats.
Der Fußgänger oder die Fußgängerin
Ich will es mal so sagen: Der Mensch ist von der Natur als Läufer gemacht, also fürs Gemächliche. Da habe ich doch, zumal als Senior, ein natürliches Vorfahrtsrecht (besser gesagt: den Vortritt). Aber das Recht kommt schnell unter die Räder.
Da flaniere ich durch die verkehrsberuhigte Nürnberger Straße, für mich ist das Lebensqualität. Aber was passiert? Kaum mache ich einen Schritt zur Seite, kommt ein Radler daher und fährt mich beinahe um. “Kannst du keine Rücksicht nehmen?”, schreie ich ihm hinterher, aber er reagiert höchstes mit einem Fluch. Die Enkel mag ich schon gar nicht mehr mitnehmen, für die ist es lebensgefährlich, wenn man sie nicht an der Hand hält.
Am schlimmsten sind die jüngeren Pedalritter, die sich mit hohem Tempo im Slalom durch die Passanten schlängeln. Meine Ohren sind nicht mehr die Besten, ich höre sie gar nicht herankommen. Ja, können die denn nicht klingeln? Und schon fährt mir der Schreck in die Glieder, weil hinter mir so ein rasender Radler laut klingelt. “Du sollst nicht klingeln, sondern langsamer fahren”, sage ich noch, aber da ist er schon weit weg. Verkehrsregeln kennen die sowieso nicht, nicht einmal die, dass Senioren immer Vorrecht haben. Das muss ich ihnen beibringen, und wenn ich mich ihnen in den Weg stelle.
Und dann noch die Älteren mit ihren E-Bikes: Jahrelang nicht mehr auf dem Rad gesessen, weil es ihnen zu anstrengend war, und jetzt auf sportlich machen. Die überschätzen sich und sind gemeingefährlich. Das bekommen sie von mir zu hören, wenn sie mir zu nahe kommen. Aber da reagieren sie wie die Jungen: oft unflätig. Aber ehrlich, ich weiß, dass ich der Schwächere bin und sich viele Konflikte vermeiden lassen, wenn der Klügere nachgibt. Also gebe ich nach. Wenn alle so wären wie ich, könnten Radler und Fußgänger gut miteinander auskommen.

Der ältere Radfahrer, die ältere Radlerin

Ich fahre gerne in die Stadt, in Erlangen ist das so bequem, alles eben, kurze Wege. Gerade für uns Ältere ist das ideal. Es könnte so schön sein, gäbe es die Fußgänger nicht. Vor denen ist man nicht sicher, vor allem dort nicht, wo sie sich mit Radlern Straßen und Wege teilen müssen.
Vor allem die Älteren scheinen bloß eine Verkehrsregel zu kennen: Senioren zu Fuß haben Vorrecht, auch gegenüber Gleichaltrigen, die mit dem Rad unterwegs sind. Da laufen sie kreuz und quer, als wären sie allein unterwegs. Und wenn Enkel dabei sind, können sie die doch an die Hand nehmen. Sie sollen ruhig flanieren, aber sie könnten doch Rücksicht nehmen auf andere, die es eben etwas eiliger haben. Klingle ich nicht, rufen sie einem noch Beschimpfungen hinterher. Klingle ich, muss ich mir böse Kommentare gefallen lassen. Normalerweise bremse ich ja in solchen Situationen und lasse Fußgängern den Vortritt. Und wenn ich es eilig habe und durch die Fußgängerzone fahren muss, bin ich besonders vorsichtig, denn dort herrscht null Toleranz. Wenn sich ein Altersgenosse mir in den Weg stellt, um mir zu zeigen, wer hier Recht hat, dann hat sich der den Falschen ausgesucht. Da erzwinge ich mir die Vorfahrt, denn diese Rechthaberei habe ich so was von satt.
Wie gesagt, ich denke mir sonst immer, der Klügere gibt nach. Und wenn alle so vernünftig wie ich wären, könnten Radler und Fußgänger gut miteinander auskommen.
Der E-Biker
Jahrelang bin ich nicht mehr aufs Rad gestiegen, es war einfach zu mühsam. Aber jetzt gibt es ja die E-Bikes. Herrlich. Wenn ich will, kann ich sogar mit den Jungen mithalten. Mobil und sportlich zu sein, das zählt heute. Gut, mit dem Hören und Sehen, das klappt nicht mehr so gut, aber ich kann doch verlangen, dass die Fußgänger, die Autofahrer und anderen Radler darauf Rücksicht nehmen und es anerkennen, dass ich noch so fit bin. Aber nein, besonders die Altersgenossen reagieren sauer bis aggressiv, wenn ich sie überhole. Wenn sie mich dann beschimpfen, steckt dahinter vielleicht bloß der Neid, sich so ein modernes Rad nicht leisten zu können. Das sage ich dann auch.
Aber ansonsten habe ich viel Verständnis für “schwächere« Verkehrsteilnehmer”. Lieber bremse ich, als mir ein Vorrecht zu erzwingen. Und wenn alle so vernünftig wären wie ich, gäbe es kein Problem.
Der junge Radfahrer
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – heißt es. Aber wir Jüngeren können uns nicht freuen. Denn auch wenn sich die älteren Fußgänger und Radler gegenseitig beschimpfen, in einem Punkt sind sie sich einig: Eigentlich sind ja die Heranwachsenden das Hauptübel. Ihnen fehle es an Verkehrserziehung. Kennen die Alten denn selbst die Regeln, außer der, dass sie angeblich Vorrecht haben? Wir haben andere, ebenfalls ungeschriebene: Mehr Spaß, mehr Lockerheit. Wir sind nicht so verbotsorientiert. Ältere werden gleich stinkig, wenn etwas gegen die Regeln läuft. Aber wenn alle ein bisschen lockerer werden, könnten wir gut miteinander auskommen.
Herbert Fuehr

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