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"Hiermit trete ich aus der Steuer aus"

Wenn man vor einigen Jahren in Rente ging, hatte man vor dem Finanzamt in aller Regel Ruhe. Seit geraumer Zeit ist das anders. Auch Ruheständler müssen eine Steuererklärung abgeben. Corinna Maier, Autorin und Dozentin für steuerrechtliche Themen, referiert auf der Messe inviva in Nürnberg über Veränderungen der Steuerpflicht im Ruhestand. Sechs+sechzig sprach vorab mit ihr.

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Finanzexpertin Corinna Maier: “Ich versuche, komplizierte Sachverhalte verständlich zu machen.” Foto: Mile Cindric

Wenn man vor einigen Jahren in Rente ging, hatte man vor dem Finanzamt in aller Regel Ruhe. Seit geraumer Zeit ist das anders. Auch Ruheständler müssen eine Steuererklärung abgeben. Corinna Maier ist Autorin und Dozentin für steuerrechtliche Themen. Die Fachfrau referiert auf der Messe inviva in Nürnberg über Veränderungen der Steuerpflicht im Ruhestand. Sechs+sechzig sprach vorab mit ihr.
sechs+sechzig: Frau Maier, als Steuerexpertin haben Sie von morgens bis abends mit Steuersätzen, Freibeträgen und dergleichen zu tun. Sie jonglieren also nur mit Zahlen?
Corinna Maier: Ich habe ein gutes Zahlengedächtnis, das ist in meinem Beruf sehr nützlich. Wichtiger aber als die Zahlen ist das Wort. Ich versuche stets, anderen Menschen komplizierte Sachverhalte verständlich zu erklären. Das setzt natürlich voraus, dass man den Hintergrund selbst verstanden hat.
Haben Sie den Eindruck, dass es den Bürgern bewusst ist, dass sie ihre Rente versteuern müssen?
Lassen Sie mich mit dem Brief einer 86-Jährigen an das Finanzamt antworten. Sie schrieb: “Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit trete ich aus der Steuer aus. Ich habe mein Leben lang Steuern bezahlt. Nun habe ich meine Pflicht erfüllt.” Tatsächlich glauben viele, dass die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei ist. Das ist leider falsch, und es war auch noch nie so.
Doch es gab in den vergangenen Jahren Unterschiede bei der Besteuerung. Was hat sich verändert?
Der Einschnitt kam 2005. Bis dahin musste die Rente zwar auch versteuert werden, aber nur zu einem kleinen Teil. Die meisten Versicherten lagen mit ihren Bezügen unterhalb des Grundfreibetrags, so dass sie de facto keine Steuern zahlten. Bis dann der Systemwechsel kam. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat der Fiskus damals umgestellt von der vorgelager-ten zur nachgelagerten Besteuerung. Vorgelagert heißt, dass bis 2005 das Rentenkonto zum größten Teil gefüllt wurde mit bereits versteuertem Einkommen. Die ausgezahlte Rente war dann überwiegend steuerfrei. Zu dieser Zeit hatte ein Arbeitnehmer allerdings auch weniger Möglichkeiten, zum Beispiel Kosten zur Vorsorge von der Steuer abzusetzen.
Im Grunde ändert sich also nur der Zeitpunkt, an dem der Fiskus zugreift?
Im Prinzip, ja.
Wie spürten die Rentner diesen Systemwechsel?
Im Jahr 2005 schnellte der steuerpflichtige Anteil der Rente für viele Empfänger von 26 auf 50 Prozent in die Höhe. Seitdem steigt dieser Prozentsatz für diejenigen, die in den nächsten Jahren in Rente gehen, kontinuierlich an, bis im Jahr 2020 die 80 Prozent und im Jahr 2040 die 100 Prozent erreicht sind.

Welche Altersgruppe ist die Gelackmeierte?

Die Generation der heute um die 50-Jährigen, würde ich sagen. Sie hat lange eingezahlt, ohne jedoch die gesetzlichen Beiträge in voller Höhe absetzen zu können. Wer im Jahr 2030 in Rente geht, hat einen Besteuerungsanteil von 90 Prozent, profitierte aber kaum von Entlastungen während der Einzahlphase.
Gibt es auch Gewinner – außer dem Staat?
Wer heute gut verdient, kommt steuerlich besser weg: Denn liegt der Steuersatz über dem Durchschnitt, sorgen hohe Vorsorgeausgaben für eine höhere Steuerersparnis. Wer für das Alter spart, wird belohnt. Freilich langt bei Auszahlung der Altersversorgung wieder der Fiskus zu. Auch beim viel gelobten Riester-Modell muss das Geld voll versteuert werden. Allerdings ist häufig der Steuersatz im Rentenalter niedriger als in der Erwerbsphase, die Steuerprogression schlägt nicht mehr so heftig durch.
Was kann ich tun, um steuerlich möglichst ungeschoren davonzukommen?
Da muss ich enttäuschen: Bei der gesetzlichen Altersrente gibt es wenig Gestaltungsspielraum.

Und wenn ich mit dem Gedanken spiele, früher in Rente zu gehen? Sind da Vorteile drin?

Wenn ich vor dieser Entscheidung stehe und Abschläge bei meiner Rente in Kauf nehme, könnte ich auf diesem Weg erreichen, dass der steuerpflichtige Teil meiner Rente geringer ist – wegen des früheren Rentenbeginns – und ich so Steuern spare. Aber ich muss warnen: Das muss sich jeder Einzelne genau ausrechnen lassen, zu viele Faktoren beeinflussen das Ergebnis. Die Abschläge bei der Rente sind meist höher als die Steuerersparnis.
Manche Ältere gehen früher in den Ruhestand und kompensieren die Abschläge auf die Rente, indem sie zum Beispiel einen 450-Euro-Job aufnehmen. Ist das empfehlenswert?
Viele gehen diesen Weg. Bis 450 Euro gelten die Regeln für Minjobs, und da bleibt der Hinzuverdienst unversteuert. Wer monatlich mehr als die 450 Euro hinzuverdient, muss das Geld versteuern und obendrein wird die Rente entsprechend gekürzt. Allerdings nur bis zum 67. Lebensjahr. Danach dürfen beschäftigte Rentner unbegrenzt jobben, ohne dass dies auf die Rente angerechnet wird. Trotzdem wird für alles, was über die 450 Euro hinausgeht, Lohnsteuer fällig – wie für jeden anderen Arbeitnehmer auch.
Wenn man schon nicht aus dem “Verein” Finanzamt austreten kann, wie es die 86-Jährige ankündigte, kann man dann wenigstens auswandern, um sich dem Fiskus zu entziehen?
Auswandern, die Rente unter Palmen genießen – das klingt verlockend! Allerdings reist der Fiskus mit: Er schlägt häufig auch im Ausland zu, wenn es sich um eine deutsche Rente handelt. Das nennt man dann “beschränkte Steuerpflicht”. Sie sehen, wir kommen da nicht raus. Aber wenn man sich das Leben schön macht, ob daheim oder im sonnigen Süden, dann lässt sich auch die deutsche Einkommensteuer leichter ertragen, oder?

Interview: Angela Giese

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