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Damit die Familie lange zusammenhält

Den Kindern an einen anderen Wohnort zu folgen, kann durchaus Vorteile mit sich bringen. Damit die Familienzusammenführung aber nicht im Streit endet, gibt es im vorher etliche Dinge zu klären. Die Münchner Psychologin Barbara Rabaioli-Fischer, die sich auf ambulante Psychotherapie für Menschen ab 60 Jahren spezialisiert hat, gibt umziehwilligen Eltern und ihren erwachsenen Kindern Tipps, wie die neue Nähe funktionieren kann.

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Die Psychologin Barbara Rabaioli-Fischer empfiehlt, die künftige Wohnsituation genau zu besprechen. Foto: Wolfgang Gillitzer

Den Kindern an einen anderen Wohnort zu folgen, kann durchaus Vorteile mit sich bringen. Damit die Familienzusammenführung aber nicht im Streit endet, gibt es im vorher etliche Dinge zu klären. Die Münchner Psychologin Barbara Rabaioli-Fischer, die sich auf ambulante Psychotherapie für Menschen ab 60 Jahren spezialisiert hat, gibt umziehwilligen Eltern und ihren erwachsenen Kindern Tipps, wie die neue Nähe funktionieren kann.
Liegt die glücklich vereinte Großfamilie im Trend?
Es gibt nicht genug Studien, um das belegen zu können. Aber es hat durchaus Vorteile, den Kindern hinterherzuziehen. Die Jungen leben häufig in Metropolen. Dort ist das Netz an Ärzten bekanntlich dichter, das kulturelle Angebot breiter und nicht zuletzt gibt es viel mehr sowie viel besser erreichbare Geschäfte. Ab einem gewissen Alter ist auch das Reisen mit der Deutschen Bahn über weite Strecken hinweg nicht mehr so gemütlich. Und: Durch den Ortswechsel verbessert sich sehr häufig die Wohnsituation. Große Häuser in kleinen Gemeinden, wo das Leben außen vor bleibt, werden von den Älteren aufgegeben, zugunsten überschaubarer Wohnungen. Alles in allem bringt das mehr Lebensqualität.
Ganz nach dem Motto »wer wagt, gewinnt«?
Auch bei Menschen, die sich gut verstehen, schürt Nähe Konflikte. Es ist ein großer Unterschied, ob man bloß zu Besuch ist oder ob man mit den Kindern den Alltag teilt. Deshalb ist es sinnvoll, vorher alles zu besprechen. Wünsche und Erwartungen ebenso wie Ängste. Die künftige Wohnsituation muss unbedingt diskutiert werden. Dem Bedürfnis, für sich sein zu können, müssen beide Teile Raum geben können. Allein deshalb kommt die Wohnung der Kinder womöglich nicht infrage. Leider muss auch über so traurige Vorstellungen wie Pflegebedürftigkeit geredet werden. Wer kümmert sich dann um Vater oder Mutter? Weil jede Generation eine andere Sozialisation genossen hat – wobei die Älteren gelernt haben, sich selbst zurückzunehmen und wiederum vorwiegend Söhne größere Probleme haben, sich mal zurückzustellen, – ist die Absprache so wichtig. Die Ergebnisse könnten in einer Art kleinem Vertrag festgehalten werden. So kann es ein Geben und Nehmen werden. Sprich: Beide Seiten können profitieren.
Das ist das Ideal. Klappen muss es trotzdem nicht.
Die jungen Alten sind für Veränderungen offen. So gesehen stehen die Chancen gut, zumal, wenn starke Motive dahinter stehen. Viele Großeltern möchten den neuen Le-bensabschnitt mit den Enkeln aktiv genießen. Vielleicht möchten sie auch etwas wie-dergutmachen, weil die eigenen Kinder früher zu kurz gekommen sind. Im Alter er-schließen sich dazu ganz andere Möglichkeiten. Wie fit man ist, sowohl körperlich wie psychisch, ist allerdings tatsächlich ein nicht zu unterschätzendes Kriterium. Bei den alten Damen klappt das übrigens besser als bei den alten Herren. Frauen sind umstel-lungsfähiger. Das ist der Tatsache geschuldet, dass sie Kinder erziehen mussten, be-rufstätig waren, den Freundeskreis aufrecht erhielten, Urlaube planten – kurz, verschiedene Rollen und Aufgaben hatten. Deshalb sind Frauen geübter.
Im Extremfall sitzen die Eltern täglich mit am Tisch. Was raten Sie Kindern, die vor die-ser Form der Familienzusammenführung zurückschrecken? Viele leiden unter einem schlechten Gewissen, wenn sie die Eltern auf Distanz halten.
Dem schlechten Gewissen muss man natürlich erst einmal Raum geben. Danach tut es gut, auf die jeweilige Lebensgeschichte zurückschauen. Das betrifft die Alten, die überraschend doch bleiben wollen, genauso wie die Jungen, die ihnen Nähe verweigern. Welche Wertvorstellungen, Erziehungs- und Lebensbedingungen machen es so schwierig, dass meine Entscheidung schuldhaft wirkt? Das sollte genauer betrachtet werden. Danach kann ich mich fragen: Wie komme ich aus der Schuld wieder heraus? Was sind meine Wünsche, was ist akzeptabel, was sollte ich mit meinen Angehörigen klären, damit die Entscheidung für beide Seiten deutlich wird? Die Klärung muss nicht immer gelingen. Es ist eine Psychologen-Unsitte, dergleichen zu behaupten. Aber den Versuch ist es auf alle Fälle wert.

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