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Rechnung bitte – und wer zahlt?

 
vignette2012 Hello All, sie kennen den Show Down:  flirrende Mittagshitze über einer staubigen Straße im Wilden Westen. Totenstille; verstummt starren  Passanten  auf zwei Gestalten.  Regungslos stehen  sich die  Duellanten gegenüber,  die Augen zusammengekniffen, die Hände zucken am Pistolengürtel – wer als Zweiter zieht, hat verloren; wird in den Staub beißen.  Im nicht mehr so wilden Fernosten sieht der klassische Show Down so aus: Klirrende Kälte aus der Klimaanlage über einen abgegessenen Rundtisch in einem Chinarestaurant: Ohrenbetäubender Lärm, geschwätzige Tischgäste ignorieren bemüht zwei Gestalten.  Regungslos sitzen sich  zwei Alphamänner am Tisch gegenüber, die Augen zusammengekniffen, die Hände zucken an der Jackettasche – wer als Erster  zieht hat verloren,  wird  die Rechnung für alle zahlen.  Was angesichts  opulenter Eßgepflogenheiten in Asiens Feinschmeckerlokalen  fast so schmerzhaft ausfallen kann wie  in den Staub Beißen im Wilden Westen.
Die hohe Kunst des fernöstlichen Geldbeutelziehens besteht im Bluffen.  So tun, als sei  man allen Ernstes bestrebt, als Erster die Kreditkarte dem Kellner zu reichen und damit den Gegenüber unter Zugzwang zu setzen, noch schneller zu sein. Es geht um nichts weniger als um die Ehre, um das „Gesicht Wahren“. Diese Ehre ist fast so viel wert wie das Talent,  offensichtlich zahlungswillig schnell, aber  leider, leider diesmal doch nicht schnell genug, beim Zücken des Portemonnaies gewesen zu sein.
Rechnung Teilen („holländisch zahlen“) ist in den meisten Ländern Asiens keine Option. Einer übernimmt für alle. Im Geschäftsleben ist das  geregelt: Wer einlädt, zahlt – meist auf Spesen einer Firma. Im Privatleben ist das subtiler zu eruieren:  Es besteht  die Erwartung, dass derjenige zahlt, der das Restaurant  ausgesucht hat und/oder die Bestellung der Gerichte der Bedienung diktiert hat und/oder zum Abschluss die Rechnung geordert hat. Innehrhalb ebenbürtiger Freundeskreise geht die Rechnung im Rotationsprinzip von Mal zu Mal an den Nächsten. Aber wer ist das? Siehe Kreditkarten- Show Down oben. Bei Familientreffen unter Geschwistern, Nichten und Neffen läuft das ähnlich, jedoch im Ergebnis schmerzhafter. Denn selten verfügen alle über gleich leidensfähige Konten  – nur, wer würde das innerhalb des Clans eingestehen?   Da sind schon besonders hohe Kunstfertigkeiten im vermeintlichen  Portmonaiseziehen gefragt. Sind Eltern und/oder  Großeltern mit am Tisch oder  womöglich sogar der Anlass des Essens, gelten diese in Asien als selbstverständliche Ehrengäste der Jüngeren. Die Alten sind aus dem Bezahlzirkel und dem Duell ausgeschlossen. Zum einen, um ihnen Respekt zu entbieten und zum anderen, um  eigene Leistungsfähigkeit  zu demonstrieren.  Seid stolz darauf, was ich Euch nun bieten kann.
Hier in Deutschland beobachte ich andere Verhaltensweisen. Da laden offenbar gern die alten Herrschaften ein, mit dem Hinweis darauf, dass die „jungen Leute“  mit  Hypotheken, Mieten, Kindererziehung und  eigener Altersversorgung  genug auf der Tasche hätten, während die Alten für sich reklamieren,  gut versorgt zu sein – deutsche Alteltern als die nimmer müden Versorger der Kinder, auch wenn diese schon mehr als flügge sind.
Beide Spielarten zeugen von edler Haltung: Jung zahlt für Alt, Alt für Jung. Oder gilt  hierzulande ein intergenerationales Rotationsprinzip?  Auf alle Fälle scheint es in den hiesigen Lokalen zur Stunde der Wahrheit weniger knisternd spannend zuzugehen als in Fernost – oder habe ich da was übersehen?
Ihr Global Oldie
 

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