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Abdelkader El-Sadi ( Ehrenamtlicher †bersetzer fŸr Syrische FlŸchtlinge ).
Abdelkader El-Sadi ( Ehrenamtlicher †bersetzer fŸr Syrische FlŸchtlinge ).

Der nächste Einsatz wartet schon auf Abdelkader El-Sadi. Eine syrische Frau, die gerade erst in Nürnberg angekommen ist, braucht dringend Übersetzungshilfe auf dem Gesundheitsamt. Sie benötigt eine Bescheinigung, um zu ihrem seit drei Monaten ebenfalls in Deutschland lebenden Mann kommen zu können. Der gebürtige Palästinenser El-Sadi wird dabei für sie dolmetschen. Er arbeitet ehrenamtlich für das Zentrum aktiver Bürger (ZAB) Nürnberg und spricht fließend Arabisch, Deutsch und Englisch. Die Fähigkeiten des 70-Jährigen sind momentan sehr gefragt. Seit Mitte September war er teilweise täglich bis in die Nacht hinein bei der Ankunft syrischer Flüchtlinge vor Ort, um zu übersetzen und zu helfen. »Die Menschen dort wollen vor allem von mir wissen, wie es nun weitergeht«, erzählt er. Heute erhält er seine Aufträge von verschiedenen Stellen, meist kurzfristig und koordiniert über das ZAB. Dass es dabei oft sehr spontan zugeht und er viele Stunden auf Achse ist, stört ihn nicht: »Ich bin jederzeit bereit zu helfen.«

Vor seinen Einsätzen für die syrischen Flüchtlinge bewältigte El-Sadi vor allem Aufträge in Familien, die Übersetzungs- und Integrationshilfe benötigten. Einmal begleitete er einen jungen Mann und seinen kleinen Bruder im Vorschulalter zum ersten Tag in den Kindergarten. »Der große Bruder beherrschte die deutsche Sprache noch nicht ausreichend, um alles zu regeln.« Den beiden konnte der Ehrenamtliche gut helfen. Doch nicht alle Probleme lassen sich so leicht lösen wie in diesem Fall. »Die Situation, gerade bei den Flüchtlingen, ist oft nicht leicht«, erzählt er. »Und manchmal bin ich schon am Verzweifeln, weil nicht klar ist, wie ich helfen soll.«

Doch warum ist der Anteil ehrenamtlich tätiger Migranten bisher so gering? Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) sieht eine mögliche Ursache darin, dass eine organisierte Ehrenamtskultur, wie sie in Deutschland existiert, in vielen anderen Ländern unüblich ist. Dort wird die Unterstützung meist im familiären Rahmen geleistet. Zudem haben Zuwanderer anscheinend Schwierigkeiten, in die teilweise recht geschlossenen Strukturen von Vereinen und Organisationen zu gelangen. Hinzu kommt, dass viele ältere Migranten und Migrantinnen in der eigenen Familie oder dort aktiv sind, wo es einen Bezug zu ihrem Heimatland gibt. Dadurch fehlt oft die Zeit für weitere Tätigkeiten. Und nicht zuletzt spielen auch Sprachprobleme eine Rolle.

Auch Abdelkader El-Sadi kam 1968 ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland. Der gelernte Elektrotechniker wollte sich beruflich fortbilden und studieren. Doch auf den erhofften Studienplatz musste er warten. So änderte er seine Pläne und begann zu arbeiten. Die deutsche Sprache brachte er sich selbst bei. Jeden Tag übersetzte er eine Zeile aus der Zeitung. Durch das Selbststudium und die Hilfe seiner deutschen Frau war sein Deutsch in wenigen Jahren nahezu perfekt. Seine ersten Anstellungen hatte El-Sadi bei der Nürnberger Abendzeitung, wo er als Druckereihelfer arbeitete, und bei der Bayerischen Metallwarenfabrik. Später wechselte er in die EDV-Branche zu Triumph-Adler. Hier waren seine dreifachen Sprachkenntnisse von großem Nutzen. Er hielt Lehrgänge in Europa und Ägypten auf Englisch und Arabisch und war im Kundendienst tätig. Die Arbeit mit vielen interessanten Menschen habe ihm immer viel Spaß gemacht, berichtet er.

Während seines Berufslebens jedoch fehlte die Zeit für ein ehrenamtliches Engagement. Nun im Ruhestand nutzt er seit einem halben Jahr seine freie Zeit für eine gute Sache. Seine Motivation resultiert aus eigenen Erfahrungen: »Ich bin sehr dankbar, dass mir von vielen Menschen hier in Deutschland geholfen wurde und möchte das zurückgeben.«

Doch wie kann man mehr Menschen mit Migrationshintergrund zu einem Ehrenamt motivieren? Die BAGSO sieht vor allem bei den Seniorenorganisationen und –verbänden und in der Politik Gestaltungsspielräume. Hier müssten Hemmschwellen abgebaut werden, um die Aufnahme eines Ehrenamts einfacher zu machen. Die deutschen Organisationen müssten sich gegenüber den Zuwanderern stärker öffnen. Die BAGSO plädiert neben fremdsprachlicher Begleitung und der Bereitstellung von Qualifikationsangeboten und Räumlichkeiten auch für eine stärkere Zusammenarbeit mit Selbstorganisationen der Migranten. Ob dies wirklich mehr Zuwanderer ins Ehrenamt bringt, muss sich freilich noch zeigen. Eines ist jedoch sicher: Hilfe, wie sie Abdelkader El-Sadi anbietet und praktiziert, wird dringend gebraucht. Denn der nächste Einsatz wartet schon.

Theresa Hasselblatt

 

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