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Dishu und Graffiti

aaa-vignette Hello All, manche alten Chinesen pflegen ein Hobby, das sie mit einigen Jungen aus dem Westen verbindet: „Street Art“. Die Freude am Bemalen öffentlicher Flächen. Dazu bestreichen Chinesen mit übergroßen Pinseln, mit Wasser befeuchtet, das horizontale Pflaster, während junge Sprüher mit Farbdosen vertikale Wände dekorieren.dishu2jpg Sind somit asiatisches „Dishu“ (Bodenschreiben) und westliches Graffiti ein weiterer Beleg für die Konvergenztheorie, der zufolge die unterschiedlichen Kulturen der Menschheit sich im Zuge der Globalisierung zu einer Mainstream- Kultur anpassen? z.B. Ost an West oder Alt an Jung, Männlich an Weiblich oder vice versa? Was sich oberflächlich ähnelt, drückt in diesem Falle sehr unterschiedliche Haltungen aus. Dishu- Kalligraphen suchen die Öffentlichkeit, treten tagsüber, gern im Kreis fachsimpelnder Umstehender auf, die die Show laut kommentieren. Nicht so sehr was, sondern wie der Dishu-Kalligraph seine Zeichen zu Boden bringt, der Schwung, der Ausdruck sind wesentlich; Erlebnis vor Ergebnis. graffiti1 Die meisten Graffiteure hingegen scheuen das Tageslicht und Öffentlichkeit; nicht nur in Singapur drohen empfindliche Strafen. Für sie ist das heimliche Sprühen reizvoller Nervenkitzel, doch noch wichtiger ist ihnen das Ergebnis: das bleibende, oft schrill bunte Zeichen: „XY was here“, mit unverkennbaren Stilelementen, bisweilen signiert. Graffiti lebt vom Zusammenspiel aus Ort, Bildsprache und Farbe; Graffiti überrascht und provoziert. Dishu ist fahl und still; es lebt von der Präsenz seiner Schöpfer. Dishu- Maler hinterlassen nach ihrem Weggang nur noch für ein paar Minuten eine monochrome Spur auf dem Pflaster, vergänglich, anonym. Man kann sich ja morgen wieder treffen, von Angesicht zu Angesicht. Dishu lebt von der Freude am Tun, dem Vorführen einer Kunstfertigkeit in Gesellschaft; Graffiti strebt nach Bleibendem, das im Verborgenen entstand. Dishu ist Bewegung, Prozess, Weg – sein Verdunsten letztlich Ausdruck des Tao, Anpassung an den ewigen Wandel, während Graffiti oft Opposition darstellt, Protest und Rebellion gegen träges Establishment und Unrecht. Weltweite Konvergenz der Kulturen bei Street Art widerlegt? Nicht unbedingt, es bleiben Gemeinsamkeiten. Dishu und Graffiti wurzeln in den jeweiligen Antiken: Weil Tusche und Pergament in Chinas Altertum teuer waren, übten über Jahrtausende die weniger Bemittelten die Kalligraphie zunächst mit Stiften in feinen Sandkästen; erst in den 90ziger Jahren ersetzten Wasser, Megapinsel und Straßenpflaster diese Technik. Jahrtausend altes Graffiti findet man in Pompei und anderen antiken Stätten, für immer bleibend geritzt. Übrigens: Junge Chinesen können auch Graffiti. Und nicht erst seit Neuestem. Mao Tse-Tungs entfesselte Kulturrevolutionäre klebten nicht nur Wandzeitungen, sondern malten in schrillem Rot ihre Parolen gegen alles Althergebrachte an Wandflächen. Hätten sie Aerosole gehabt, sie hätten vermutlich ebenfalls gesprüht.
Ihr Gobal Oldie

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