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Auswandern im Alter ist längst keine Ausnahme mehr

Wie ist das doch mit den alten Bäumen, die man nicht verpflanzen soll? Ist das eine unumstößliche Lebensweisheit? Was aber, wenn Klima und karger Boden dem Baum ein gedeihliches Leben schwer machen? »Ja«, sagt Dorothea Mäckl von der Rummelsberger Diakonie, »es sind oft klimatische Veränderungen oder auch eine kleine Rente, die Menschen im Ruhestand ans Auswandern denken lassen«.
Für Charus und Rosemarie Chaipaet sind die Tage in Franken gezählt. Sie wagen in seiner Heimat Thailand einen gemeinsamen Neuanfang. Foto: Michael Matejka
Für Charus und Rosemarie Chaipaet sind die Tage in Franken gezählt. Sie wagen in seiner Heimat Thailand einen gemeinsamen Neuanfang. Foto: Michael Matejka

Wie ist das doch mit den alten Bäumen, die man nicht verpflanzen soll? Ist das eine unumstößliche Lebensweisheit? Was aber, wenn Klima und karger Boden dem Baum ein gedeihliches Leben schwer machen? »Ja«, sagt Dorothea Mäckl von der Rummelsberger Diakonie, »es sind oft klimatische Veränderungen oder auch eine kleine Rente, die Menschen im Ruhestand ans Auswandern denken lassen«.

Da erhofften sich die Älteren in der wärmenden Sonne Mallorcas Linderung der Arthrosebeschwerden, da rechne man sich mit einer monatlichen Rente von 800 Euro in Bulgarien mehr Lebensqualität als hierzulande aus.

In der Beratungsstelle für Aus-und Weiterwanderung sowie für binationale Paare und Familien in der Mühlgasse 5 in Nürnberg-St. Johannis schauen nicht nur junge Auswanderungswillige vorbei; es sind eben auch Senioren, die einen Neuanfang wagen wollen. Grundvoraussetzung ist: sich umfassend zu informieren. Es sind Paare, Familien, aber auch allein lebende Ältere, die Dorothea Mäckl berät. So wanderte beispielsweise eine 72-Jährige in die USA aus, um den Lebensabend bei Kindern und Enkeln zu verbringen.

Hans-Jürgen Bail fiel der Abschied nicht leicht: »Ich liebe meine fränkische Heimat«, sagte er. Aber aus Liebe zu seiner Frau – und auch an die eigene Gesundheit denkend – wagte er diesen Schritt. Ende Oktober hat er seiner Heimat den Rücken gekehrt und ist nach Saigon ausgewandert. Der 66-jährige Forchheimer ist seit elf Jahren mit Thi Ni, einer 56-jährigen Vietnamesin, verheiratet. Das kühle und nasskalte Wetter in Deutschland habe ihr sehr zu schaffen gemacht, meinte er. Er hatte selbst mit den Spätfolgen seiner beruflichen »Wind-und Wetter- Tätigkeit« als Bauleiter zu kämpfen. Natürlich haben Bail und Thi Ni die Heimat seiner Frau regelmäßig besucht. Während der letzten sechs Jahre dauerten solche Besuche immer ein halbes Jahr.

Ganze Familie wohnt in Saigon

Zu diesem Vorgehen rät auch die 53-jährige Auswanderer-Beraterin Mäckl: »In jedem Fall sollte man vorher das Land seiner Träume besucht und auch ein wenig kennengelernt haben.« Sonst könne es ganz schnell passieren, dass der lang gehegte Lebens¬traum, in einer Hängematte unter Palmen zu liegen, in der Realität wie ein Luftballon platze.

Hans-Jürgen Bail ist Realist. Er und seine Frau haben ein Haus in Saigon, in dem auch sein Schwager mit Frau und zwei Kindern wohnen. »Finanziell kommen wir gut hin«, meint er und fügt hinzu: »Gerade die medizinische Versorgung hängt vom Geldbeutel ab.«

Es sind nicht selten binationale Ehepaare, die sich für eine Ausreise in das Land des Partners oder der Partnerin entscheiden. Rosemarie Chaipaet ist eigentlich eine eingefleischte Nürnbergerin. Sie wohnt zusammen mit ihrem thailändischen Mann in einem hellen, geräumigen Reihenhaus im Nürnberger Ortsteil Zabo. Den beiden geht es eigentlich gut. Ehemann Charus kam 1969 nach Deutschland, studierte hier Maschinenbau, machte sich selbständig als Grafikdesigner. Rosemarie arbeitete halbtags bei der Telekom. Seit 37 Jahren sind sie verheiratet. Doch ihre »GoldeneHochzeit« wollen sie, beide noch keine 70, in Charus’ Heimat in Thailand feiern. Dort haben sie vor 14 Jahren in Chiangmai, der »Rose des Nordens« und Thailands zweitgrößter Stadt nach Bangkok, dank einer Erbschaft ein Haus gekauft und viele Urlaube verbracht. Auch sie haben keine finanziellen Sorgen. Beide Renten reichen für ein gutes Leben.

Nebengebäude nur fürs Hausmädchen

Zuletzt wohnten sie sieben Monate in ihrem thailändischen Zweitwohnsitz, der nun ihr endgültiges Ruhestandsdomizil sein soll.

Es ist ein großes Haus mit einem Nebengebäude für das burmesische Hausmädchen. »Und«, strahlt Rosemarie, »ich habe einen großen Garten und kann endlich meiner grünen Passion nachgehen.« Charus hat sich im Lauf der Jahre eine kleine Werkstatt eingerichtet. Da kann er nach Herzenslust erfinden, entwickeln, schweißen und schrauben. Rosemarie Chaipaet will sich zudem noch in der deutschen Schule mit Nachhilfeangeboten engagieren. Wenn sich die Eheleute in diesen Tagen auf die Reise machen, ist es fraglos keine Reise ins Ungewisse.

Ihre Tochter, sagt die 63-Jährige, liebte das Anwesen in Thailand über alles und habe ihnen nicht nur einmal geraten, doch dort zu leben. Während sie das erzählt, füllen sich ihre Augen mit Tränen und ihr Ehemann legt beruhigend seine Hand auf ihren Arm. Yvonne, die einzige Tochter, ist vor sieben Jahren 27-jährig in der Schweiz tödlich verunglückt. Ein umstürzender morscher Baum erschlug sie während eines Gewitters in ihrem Auto.

Die Urne mit ihrer Asche steht in einem kleinen, achteckigen Tempel, den der Vater hinter dem thailändischen Haus errichtet hat. »Dann« tröstet Charus seine Frau, »sind wir wieder alle zusammen.«

Text: Günter Dehn

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