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Bis zum letzten Blutstropfen

Ingrid Böhme verkörpert so etwas wie die »Zentrale« beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in Erlangen-Höchstadt. Dabei ist sie nicht etwa eine angestellte Mitarbeiterin des BRK, sondern ehrenamtliche Leiterin des Blutspendedienstes – und das seit 35 Jahren. Inzwischen ist die gelernte Dolmetscherin 82 Jahre alt und immer noch Ansprechpartnerin für alles, was mit der verantwortungsvollen Arbeit zu tun hat. Sie ist auch für Wareneinkauf, Abrechnung, Lagerverwaltung und Organisation des Teams verantwortlich.
Blut rettet Leben. Eine angenehme Atmosphäre soll es leichter machen, Lebenssaft abzugeben. Foto: Mile Cindric
Blut rettet Leben. Eine angenehme Atmosphäre soll es leichter machen, Lebenssaft abzugeben. Foto: Mile Cindric

Ingrid Böhme verkörpert so etwas wie die »Zentrale« beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) in Erlangen-Höchstadt. Dabei ist sie nicht etwa eine angestellte Mitarbeiterin des BRK, sondern ehrenamtliche Leiterin des Blutspendedienstes – und das seit 35 Jahren. Inzwischen ist die gelernte Dolmetscherin 82 Jahre alt und immer noch Ansprechpartnerin für alles, was mit der verantwortungsvollen Arbeit zu tun hat. Sie ist auch für Wareneinkauf, Abrechnung, Lagerverwaltung und Organisation des Teams verantwortlich.

Schließlich muss bei jedem Blutspende-Termin ein genauer Ablauf eingehalten werden. Etwa, wenn es um Vorbereitungen und Registrierung der Spender geht oder das Einräumen der Blutkonserven. Auch das Zubereiten des Essens, das jeder der oft bis zu 200 Spender nach der Blutabnahme erhält, muss organisiert werden. Rechnet man alle anfallenden Tätigkeiten zusammen, summiert sich dies auf etwa neun Stunden, die die Freiwilligen beim BRK ableisten.

Gelegentlich ist der Aufwand besonders groß, etwa dann, wenn die Ehrenamtlichen die vorgeschriebene Mahlzeit in einer wenige Quadratmeter großen Teeküche aufwärmen und fertig machen müssen. Findet die Blutspende hingegen im modernen BRK-Heim in Erlangen selbst statt, tun sich die Freiwilligen entsprechend leichter, weil die Räume funktionaler sind.

Für alles, was nicht die rein medizinische Seite betrifft, sind Böhme und ihre rund zehn Mitarbeiterinnen zuständig, die pro Einsatz an ihrer Seite arbeiten. Doch das wird zunehmend schwieriger: »Viele können zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht«, erzählt die ehrenamtliche Leiterin, »die eine hat eine neue Hüfte bekommen, eine andere eine Knieoperation gerade überstanden.«

Die Mitglieder der Gruppe seien zwischen 65 und 90 Jahre alt, erzählt die Erlangerin Böhme. Viele kennen »ihre« Spender, die etwa zu den Terminen ins BRK-Haus in Erlangen kommen, schon lange. Auch der Zusammenhalt unter den freiwilligen Helfern ist gut, berichtet Böhme. »Wir reden auch einmal über Privates«, sagt sie.

Immer wieder hätten sich in der Vergangenheit Interessierte für den Blutspendedienst bei ihr umgesehen. Geblieben aber sei kaum jemand: »Den meisten ist es zu arbeitsintensiv, andere jammern sofort über ihren Rücken oder wollen sich nicht auf Tage festlegen lassen.«

Genau das aber ist das A und O der Rotkreuz-Aktion: Da die Spenden dringend notwendig sind, müssen die Termine eingehalten werden. Für Ingrid Böhme ist das auch ein Grund, weshalb sie trotz ihrer 82 Jahre weitermacht. »Kranke und Unfallopfer brauchen das Blut«, sagt sie. In Zeiten medizinischen Fortschrittes steige der Bedarf zunehmend. »Heute nehmen die Ärzte Eingriffe vor, von denen man vor ein paar Jahren noch nicht einmal geträumt hätte.«

Dennoch merkt auch Ingrid Böhme das Alter und will daher schon lange etwas kürzer treten. »Seit meinem 70. Geburtstag suche ich jemanden für die Nachfolge«, erzählt sie. Einmal hat eine Frau ein kurzes Gastspiel als ihre Vertreterin gegeben. »Das aber endete im Chaos«, sagt Böhme, »und so habe ich die Funktion wieder übernommen.«

Früher seien viele Beschäftigte mit 58 Jahren in Rente gegangen, erinnert sich Böhme. »Bald darauf ist ihnen die Decke auf den Kopf gefallen und sie waren froh, wenn sie in einem Ehrenamt eine neue Aufgabe fanden.« Das habe sich geändert. Die Lebensarbeitszeit sei heute länger und die Rente geringer. »Viele suchen sich dann noch mit 65 einen Job auf 450-Euro-Basis«, sagt Böhme, »die haben keine Zeit für ein Ehrenamt.« Zudem seien auch deren eigene Kinder heutzutage häufiger berufstätig: »Wenn aber beide Elternteile arbeiten, müssen die Großeltern auch öfter auf die Enkel aufpassen.« Das koste ebenfalls Zeit.

Das Rote Kreuz geht in Firmen

Einen weiteren Grund, weshalb es schwierig ist, gerade für die Arbeit im Blutspendedienst Jüngere zu gewinnen, nennt Beate Ulanska, die Kreisgeschäftsführerin des BRK Erlangen-Höchstadt. Für eine ausreichend gesicherte Versorgung mit Blutspenden sei es wichtig, möglichst viele Jüngere zu erreichen – und deshalb bietet das BRK viele Termine in Firmen und Behörden an. Dafür aber braucht das BRK wiederum freiwillige Mitarbeiter, die tagsüber Zeit haben während der üblichen Arbeitszeiten. Viele Berufstätige scheiden daher von vornherein aus. Weil das BRK häufig Termine in Erlangen bei Siemens, Areva und der Universität anbietet, fehle es gerade hier an Ehrenamtlichen und es komme zu Engpässen beim Personal, berichtet die Kreisgeschäftsführerin.

Um diesem akuten Ehrenamtlichen-Notstand entgegenzuwirken, versucht der Kreisverband gezielt, Neue zu finden. »Wir sprechen Leute an und werben für uns«, sagt Ulanska. »Wenn es keine Freiwilligen mehr gibt, können keine Termine mehr stattfinden, das heißt dann, dass wir weniger Blutspenden haben – und das müssen wir mit allen Mitteln verhindern.« Deshalb lobt Ulanska die Arbeit von Ingrid Böhme in höchsten Tönen. Sie mache und beherrsche einfach alles: »Sie führt ihr Ehrenamt mit Managerqualitäten.« Eigentlich müsste eine solche Aufgabe auch eine Herausforderung für jüngere Menschen sein.

Text: Sharon Chaffin

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