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Beim Wort »barrierefrei« denkt man gemeinhin an Wohnungen, Hotels, Veranstaltungsräume oder auch an öffentliche Gebäude, aber nicht gleich ans Fernsehen. Und doch: Viele Hörgeschädigte können das Fernsehprogramm nur sehr eingeschränkt oder gar nicht verfolgen, selbst wenn sie ein Hörgerät tragen.

Wissenschaftler wollen Hörgeräte verbessern. Foto: Norbert Neetz/epd

Dieser Problematik hat sich die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts in Nürnberg angenommen: In ihrer Studie »Hören@TV« erforschte sie, wann Hörgerätenutzer beim Fernsehen Schwierigkeiten haben und wie ausgeprägt diese sind. Außerdem haben sie einige ganz praktische Tipps parat, wie man die Ergebnisse verbessern kann.

Zwischen August und Oktober letzten Jahres verschickte die Studiengruppe unter der wissenschaftlichen Leitung von Bettina Williger online über Seniorenportale und -verbände einen zehnseitigen Fragebogen. 83 Nutzerinnen und Nutzer von Hörgeräten beteiligten sich an der Umfrage. Das Ergebnis ist streng genommen nicht repräsentativ. Aber, so Bettina Williger, bei einer Stichprobe dieser Größe unter Menschen mit ähnlichen Charakteristika könne man die Ergebnisse durchaus auf die Gesamtheit übertragen.

Sprache und Geräusche überlagern sich

In der Studie wurden die über 60-Jährigen nicht nur nach ihren alltäglichen Fernsehgewohnheiten und den dabei immer wiederkehrenden Schwierigkeiten befragt. Die Forscher erhoben auch Daten zu allgemeinen Hörproblemen und den Auswirkungen des Handicaps auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität. Dabei kristallisierten sich zwei Gruppen heraus: auf der einen Seite die Menschen, die schon lange hörgeschädigt sind und deshalb schon Erfahrung im Umgang mit dem Hörgerät haben; auf der anderen Seite jene, für die sowohl die Schädigung als auch das Hörgerät etwas Neues sind. Das Interessante dabei: Sie unterscheiden sich kaum im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die sie beim TV-Schauen haben.

Mit einigen Kniffen lassen sich manche Probleme einfach lösen: Störende Nebengeräusche wie Ventilatoren oder Straßenlärm sollte man möglichst ausschalten. Der Abstand zum Fernseher sollte nicht zu groß sein, um gutes Verstehen zu ermöglichen. Da moderne Flachbildfernseher den Ton meist nach hinten ausgeben, kann ein zusätzlicher, im Raum positionierter Lautsprecher helfen.

Große Räume können schnell hallen; ein kleiner Raum mit vielen Möbeln hingegen klingt dumpf – und beides erschwert das Hörverstehen. Dagegen helfen oft einfache Mittel: Schon ein Teppich kann die Raumakustik verbessern.

Generell am wenigsten Hörprobleme haben die Befragten bei Nachrichtensendungen und Dokumentationen. Die meisten Schwierigkeiten bereiten dagegen Talkshows, ältere Spielfilme sowie ausländische Filme und Serien. Deshalb sind sie bei den Befragten auch nicht so beliebt. »Bei synchronisierten ausländischen Filmen hilft einem ja auch das Lippenlesen nicht weiter«, betont Williger. Ihre Arbeitsgruppe sprach auf der Suche nach weiteren Ursachen auch mit Akustikern. »Die vermuten, dass Filme heute so produziert werden, dass Sprache, Hintergrundmusik und andere akustische Effekte einander oft überlagern.« Da sei es schwierig, Sprache und Geräusche zu trennen.

In solchen Fällen haben schon Zuschauer ohne größere Hörschwierigkeiten ihre Probleme. Til Schweiger ist der wohl bekannteste Nuschler, aber auch andere Schauspielerinnen und Schauspieler bemühen sich nicht um eine klare Aussprache – oder können nicht anders. Fraunhofer-Expertin Williger weiß, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Produzenten von Fernsehfilmen schon darauf aufmerksam gemacht hätten, dass ihre Filme nicht »barrierefrei« seien. Es gebe bereits Leitfäden für zuschauerfreundliche Beiträge, etwa mit Blick auf die Abmischung von Sprache und Geräuschen.

Nun kann sich ein nicht oder nur leicht hörgeschädigter Zuschauer gegebenenfalls damit behelfen, dass er Untertitel mitlaufen lässt. Bei ernsteren Hörproblemen aber bringt das wenig, weil die Gesamtatmosphäre einer Sendung verloren geht. Was also tun? Die meisten Befragten (78 Prozent) stellen einfach den Fernseher lauter, knapp die Hälfte (49 Prozent) verändert die Lautstärke ihres Hörgeräts. Ebenso viele passen die akustischen Einstellungen am TV-Gerät selbst ihren Hörgewohnheiten an: Mit der Wahl des passenden Tonsystems (Mono, Stereo, Dolby) und der Toneinstellung (Höhen, Tiefen) lässt sich eine Verbesserung erreichen. Außerdem bietet sich die Benutzung von Kopfhörern an (relativ preiswert) oder von Streamern, die den Ton kabellos auf das Hörgerät übertragen (etwas teurer).

Text: Herbert Fuehr

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