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Spaß beim gemeinsamen Kochen: Renata Bukoving (links) ist für die Unterstützung von Ilina Baitinger von der Lebenshilfe dankbar. Foto: Michael Matekja

Gut gelaunt sitzt Renata Bukoviny in ihrem Rollstuhl und wartet auf ihr Mittagessen. Ihre Zwei-Zimmer-Wohnung an der Ostendstraße in Nürnberg ist gerade frisch geputzt worden, jetzt nimmt die Rentnerin noch ihre Diabetes-Medikamente. Als Säugling hatte sie Kinderlähmung und eine schwere Hepatitiserkrankung mit hohem Fieber durchgemacht. Ihr vegetatives und zentrales Nervensystem ist seither schwer geschädigt.

28 Jahre lang arbeitete sie in einer Behindertenwerkstatt und lebte in einem Wohnheim. Seit dreieinhalb Jahren nun ist die 56-Jährige in Rente. Seit Anfang Mai lebt sie erstmals allein in einer behindertengerechten Wohnung an der Ostendstraße. Sie ist glücklich, dass sie endlich ein selbstbestimmtes, einigermaßen normales Leben führen kann.

Wer putzt das Badezimmer?

Im Alter noch ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung zu führen hat für die allermeisten Menschen höchste Priorität – egal, ob sie behindert sind oder nicht. Doch irgendwann geht es nicht mehr ohne fremde Hilfe. Staubsaugen, Badezimmer putzen oder einkaufen fällt schwer, wenn die Gelenke schmerzen oder einen die Beine nicht mehr tragen – da ist es eigentlich gleichgültig, ob man dieses Handicap erst im hohen Alter bekommt oder durch eine Krankheit in jungen Jahren.

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft wbg in Nürnberg hat schon vor Jahren ihr Sigena-Konzept (sicher, gewohnt, nachbarschaftlich) entwickelt. Am Nordostbahnhof und in St. Johannis hat sie Stützpunkte eingerichtet, in denen die wbg-Mieter Beratung und Hilfe für alle möglichen Lebenslagen finden können. Vorrangig geht es um Angebote für ältere Menschen, die Betreuung oder Pflege benötigen. Das Bayerische Rote Kreuz ist Partner der wbg am Nordostbahnhof, die Diakonie Neuendettelsau in St. Johannis. Für den im April eröffneten Quartiersstützpunkt an der Ostendstraße in Mögeldorf fiel die Wahl auf die Lebenshilfe, die in der Nachbarschaft bereits einige ihrer insgesamt 27 Einrichtungen in Nürnberg betreibt.

Für die Lebenshilfe, die vor über 50 Jahren als Selbsthilfeverein gegründet wurde, um Eltern von behinderten Kindern beizustehen, bedeutet die Partnerschaft mit der wbg einen großen Schritt und auch einen Strategiewechsel. Denn der Assistenz- und Pflegedienst der Lebenshilfe im Sigena-Stützpunkt richtet sich an Nichtbehinderte und Behinderte gleichermaßen – Inklusion mit umgekehrten Vorzeichen sozusagen. Auch organisatorisch kam auf die Lebenshilfe einiges zu. So musste der Verein einen Notdienst und eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit sicherstellen und die Zulassung als Pflegedienstleister für die Abrechnung mit den Pflegekassen erhalten. Horst Schmidbauer, Vorsitzender der Lebenshilfe Nürnberg und früherer SPD-Bundestagsabgeordneter, sieht den Verein dafür jedoch sehr gut gerüstet: »Wir können eine hochkarätige Versorgung garantieren.« Viele der Mitarbeiter im Assistenz- und Pflegedienst würden über eine Doppelqualifikation in der Alten- und in der Behindertenarbeit verfügen. Hinzu kommt, dass der Verein keinen Anspruch auf Gewinnerzielung erhebt. Schmidbauer: »Wir werden alles tun, damit es nicht zu einer Fünf-Minuten-Pflege kommt.«

Derzeit werden allerdings vor allem haushaltsnahe Dienstleistungen nachgefragt, wie sie auch Renata Bukoviny in Anspruch nimmt. Kochen, Putzen und Begleitung zum Einkaufen übernimmt bei ihr Ilina Baitinger. Die 27-Jährige ist durch eine Schädigung ihrer Beine bei der Geburt selbst schwerbehindert. Auch hier kommt also der Inklusionsgedanke zum Tragen.

Text: Georg Klietz

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