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Prof. Dr. Friedrich Reutner (links) und Prof. Dr. Wolfgang Herzog (rechts) überreichten Dr. Friederike H. Böhlen den Anita- und Friedrich-Reutner-Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen. Foto: Universitätsklinikum Heidelberg

Für ihre wegweisenden Arbeiten zur Versorgung von älteren Patienten mit psychosozialer Begleiterkrankung (Komorbidität) ist Dr. Friederike Hildegard Böhlen, Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik des Universitätsklinikums Heidelberg, mit dem Anita- und Friedrich-Reutner-Preis für Nachwuchswissenschaftlerinnen ausgezeichnet worden.

Die Menschen in Industrieländern werden älter – was auch dazu führt, dass es mehr Patienten gibt, die an chronischen Krankheiten leiden. Von „psychischer Komorbidität“ spricht man, wenn diese körperlichen Beeinträchtigungen von psychischen Problemen wie beispielsweise Depressionen oder Ängsten begleitet werden. Im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten untersucht die diesjährige Preisträgerin Dr. Friederike Hildegard Böhlen, welche Auswirkungen psychische Beschwerden auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Patienten haben – und wie wirksame Therapien für ältere Menschen aussehen sollten.

Die Folgen des seelischen Leids können groß sein, insbesondere, wenn die Patienten keine oder nicht die passende Behandlung erhalten. „Mit ihren Publikationen zeigt Dr. Friederike Hildegard Böhlen unter anderem, dass einsame Menschen im Alter mehr Psychopharmaka verschrieben bekommen und nur ein geringer Prozentteil von psychisch kranken älteren Menschen tatsächlich psychotherapeutische Unterstützung erhält“, sagte Prof. Dr. Wolfgang Herzog in seiner Laudatio.

„Aus den Ergebnissen meiner Arbeiten wird deutlich, dass ältere Menschen mit komplexer, also körperlicher und psychosozialer Beeinträchtigung, ein hohes Risiko für eine Fehl- und Unterversorgung aufweisen“, beschreibt die Nachwuchswissenschaftlerin die Ergebnisse ihrer Untersuchungen, die unter anderem auf einer Langzeitstudie mit über 3000 älteren Teilnehmern beruhen. Schätzungsweise 15 Prozent der älteren Menschen über 65 Jahren leiden unter depressiven Symptomen, vier Prozent unter Ängsten. Einsamkeit wird von 14 Prozent der älteren Menschen beschrieben – und zwar von Frauen häufiger als von Männern. „Diese seelischen Zustände sind schwer greifbar und werden oft nicht diagnostiziert, weil typische Symptome wie Appetitmangel, Schlaflosigkeit, Magenbeschwerden oder innere Unruhe auch durch altersbedingte körperliche Beschwerden erklärt werden können“, so Böhlen.

Nicht nur die Diagnose, sondern auch die Behandlung stellt sich oft kompliziert dar: „Es ist häufig schwierig, professionelle Versorgungsangebote zu finden, die dem Bedarf und dem persönlichen Leistungsvermögen älterer Menschen entsprechen“, so Dr. Friederike Hildegard Böhlen. Eine ihrer Studien zeigte beispielsweise, dass ältere Menschen mit psychischer Beeinträchtigung ihre eigenen Kräfte im Vergleich zu nicht-erkrankten Gleichaltrigen deutlich geringer einschätzen. Hinzu kommt, dass sich Senioren einer weiteren Untersuchung zufolge eher körperbezogene Therapien wünschen, obwohl sie Bedarf an einer psychologischen Hilfestellung hätten.

Die Preisträgerin setzt sich in verschiedenen Projekten für die Entwicklung maßgeschneiderter psychosozialer Interventionen und damit für eine Verbesserung sowohl in der Diagnose als auch in der Behandlung der betroffenen Menschen ein. So untersucht sie beispielsweise den Einfluss von Einsamkeit im Alter auf die Versorgung älterer Patienten in Zusammenarbeit mit Baden-Württemberger Hausarztpraxen und entwickelt Schulungen für nicht-medizinisches Fachpersonal.

„Psychische Erkrankungen bei älteren Menschen können oft in Umbruchsituationen auftreten, wie zum Beispiel beim Ausscheiden aus dem Arbeitsleben oder bei Veränderungen im Familien- und Freundeskreis“, fasst Böhlen zusammen. „Versorger in der ersten Reihe, wie Hausärzte, Pflegekräfte und Angehörige sollten sensibler für seelische Probleme werden und insbesondere bei älteren Menschen nicht nur nach organischen Ursachen für Beschwerden suchen.“ Doch auch die Patienten sind gefordert, appelliert die Preisträgerin: „Ohne Mitarbeit geht es nicht. Um im Gleichgewicht zu bleiben, sollten wir alle gelegentlich mal die Stopp-Taste drücken, uns fragen, was wir brauchen und dann gezielt nach Hilfe suchen.“

Der Preis
Mit dem jährlich vergebenen und mit 7.000 Euro dotierten Preis unterstützen die Stifter Professor Dr. Friedrich Reutner – Ehrensenator der Universität Heidelberg – und seine Frau Anita Nachwuchswissenschaftlerinnen der Medizinischen Fakultät in ihren Forschungsvorhaben. Insbesondere werden solche Leistungen ausgezeichnet, die klinisch relevante Forschungsfragen aufgreifen.

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