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Wohnen in der Stadt: Würzburg misst das Klima

Sensorik am Paradeplatz in Würzburg: Hier ist man dem Stadtklima auf der Spur. Foto: Robert Emmerich

Ein auffälliger Lindenbaum steht jetzt am Paradeplatz hinter dem Würzburger Dom. Er ist mit ausgefeilter mit Messtechnik verkabelt, gleich nebenan befindet sich am Mast einer Straßenlampe eine neue Wetterstation.

Aufgestellt wurden die Instrumente von einem Forschungsteam, das dem Stadtklima auf die Spur kommen will. In der Stadt ist es wärmer als auf dem Land. Das haben vermutlich viele Bewohner gemerkt, die an einem warmen Sommerabend von ihrem Dorf nach Würzburg gefahren sind. Aber auch in der Stadt mit ihrer extremen Talkessel-Lage gibt es Temperaturunterschiede: Wer etwa am Main entlang radelt und Richtung Innenstadt abbiegt, spürt das am wärmeren Fahrtwind.

Eine aufgeheizte Stadt in einer kühleren ländlichen Umgebung: Fachleute sprechen hier vom „Wärmeinseleffekt“. Der hängt davon ab, wie die Baustruktur der Stadt aussieht, wie hoch der Anteil versiegelter Flächen ist und wie viele Bäume oder Grünflächen es in den Straßen gibt.
Vor allem Bäume sorgen in einer „Betonwüste“ für Abkühlung und damit für ein verträglicheres Stadtklima. Ihre Kronen spenden Schatten, ihre Blätter verdunsten Wasser und kühlen damit die Luft. „Dieser Effekt ist zwar theoretisch gut zu erklären, aber wissenschaftlich fundierte Messungen dazu gibt es bislang nicht“, sagt Geographie-Professor und Klimaforscher Heiko Paeth von der Universität Würzburg.

Messungen an sieben Standorten

Das soll sich ändern – durch das neue Forschungsprojekt „Klimaerlebnis Würzburg“. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie stark der Baumbestand und die Bebauung das Klima in der Stadt tatsächlich beeinflussen. Dazu installieren sie an sieben Stellen in Würzburg neue Wetterstationen – von der Innenstadt bis an den Stadtrand, von stark bebauten, baumfreien Standorten bis hin zu Gebieten mit viel Grün und wenigen Gebäuden. „Wir messen Temperatur, Wind, Luftfeuchtigkeit, Niederschlag, Globalstrahlung und andere Werte“, erklärt Doktorand Christian Hartmann. Alle zehn Minuten werden die Werte gespeichert und via Funknetz auf einen Server der Universität geschickt. Die Messungen laufen mindestens drei Jahre lang.

An den Mess-Standorten sind gleichzeitig Forscher von der Technischen Universität München aktiv. Ein Team um Projektleiter PD Dr. Thomas Rötzer (Lehrstuhl für Waldwachstumskunde) versieht dort einzelne Bäume mit diversen Sensoren – Temperaturfühler, Dendrometer und mehr. Die sollen unter anderem Aufschluss darüber geben, wie das jeweilige Standortklima das Wachstum und die Verdunstungsleistung der Bäume beeinflusst. Die Münchener Forscher bringen ihr Instrumentarium an Linden und Robinien an. Diese Baumarten haben sie mit Bedacht gewählt: „Sie unterscheiden sich in ihrer Wärme- und Trockenresistenz“, erklärt Rötzer.

Messwerte werden öffentlich zugänglich gemacht

Ihre Daten wollen die Wissenschaftler nicht für sich behalten, sondern mit der Öffentlichkeit teilen. Dazu werden die Messwerte grafisch aufbereitet und in Echtzeit im Internet zur Verfügung gestellt. Die Webseite soll spätestens zum Start der Landesgartenschau im April 2018 fertig sein. Damit möglichst viele Interessierte von dem Projekt erfahren, stehen an allen Messpunkten Info-Stationen mit QR-Codes bereit. Und auf der Landesgartenschau soll eine Videowand dafür sorgen, „eine möglichst große Wahrnehmung der Problematik zu erzeugen“, so Paeth.

Problematik? Damit spielt der Professor auf den Klimawandel an. Gerade in Würzburg und Mainfranken ist es in den vergangenen Jahren zunehmend wärmer und trockener geworden. Wie verändert sich das Klima weiter? Wie kommen Stadtbäume damit zurecht? Wie können die Bäume dazu beitragen, das Leben in der aufgeheizten Stadt erträglicher zu machen? Das sind einige Fragen, die das Projekt am Ende auch den Stadtoberen beantworten soll. „Der Klimawandel wird kommen. Wie kann sich die Stadt anpassen, um lebenswert zu bleiben?“ Aufgrund dieser Fragestellung beteiligt sich auch die Stadt Würzburg am Projekt. Das unterstrich Umweltreferent Wolfgang Kleiner mit dem genannten Zitat beim Projektauftakt.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website von „Klimaerlebnis Würzburg“ unter https://www.zsk.tum.de/index.php?id=100&L=0.

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