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Neue Online-Beratung für Angehörige Demenzkranker

Sigrid Zauter betreut den Internet-Auftritt im Nürnberger Institut für E-Beratung. Foto: Michael Matejka

Es ist bloß irgendein Schild über einer Treppe in der Liebigstraße 6 in der Bibliothek der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg. Ein Pfeil ist darauf zu sehen, daneben der Text: »E-Beratung«. Das schlichte Schild weist jedoch auf ein in Bayern bislang einmaliges Pilotprojekt hin: eine ehrenamtliche elektronische Beratung von Menschen, deren Alltag mit der Betreuung eines demenzkranken Angehörigen aus dem Gleichgewicht geraten ist.

Anfang Juni ist das Angebot der Fakultät Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule an den Start gegangen, und es wird mehr und mehr angenommen. Seit 2012 existiert das »Institut für E-Beratung«, das auch andere internetbasierte Beratungsleistungen bietet, beispielsweise videogestützte Formate oder Gesundheitscoaching via Smartphone.

Hilfe aus der Gruppe

Sigrid Zauter, die den Internet-Auftritt koordiniert und redaktionell betreut, versteht das Angebot als Ergänzung zu den realen Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände und kommunalen Institutionen. Aber aus Studien wisse man, so die 51-jährige Sozialpädagogin, dass viele Angehörige sich scheuten, in die Beratungsstellen zu gehen. »Und nicht wenige pflegende Angehörige begreifen sich als Pflegekraft«, meint sie. Man kümmere sich eben um die pflegebedürftige Mutter, den dementen Ehepartner.

Wer die Internetadresse www.fuer-pflegende-angehoerige.de aufruft, muss freilich einige PC-Kenntnisse mitbringen. Dann aber kann er im öffentlichen Beratungsforum lesen, wie andere in einer ähnlichen Situation zurechtkommen. Er kann natürlich auch Fragen stellen oder eigene Erfahrungen mitteilen. Wie Marie, die sich am Wochenende um ihre demente, im Heim lebende Mutter kümmert. Sie fragt: »Wie kann ich meine Geschwister dazu motivieren, sich auch einmal bei der Mutter blicken zu lassen?« Von »direkt mit den Geschwistern reden« bis zur Organisation eines Familienfestes reichen hier die Vorschläge der Betroffenen.

Soll indes eine der acht ehrenamtlichen Beraterinnen helfen, die eine intensive Schulung absolviert haben, muss ein Konto mit Benutzernamen (Nickname) und Passwort angelegt werden. Nur so kann ein persönliches Beratungsgespräch auf der elektronischen Datenbahn stattfinden.

Ulrike Kremer, die im Netz unter einem Alias-Namen berät, gehört zu den acht Frauen, meist Studentinnen der Sozialpädagogik, die sich für diese ehrenamtliche Aufgabe haben ausbilden lassen. Außerdem verfügt sie als erfahrene Krankenschwester über umfassende Erfahrungen in der Pflege. Für die agile und aufgeschlossene 62-Jährige ist ehrenamtliches Engagement eine Selbstverständlichkeit. Sie begleitet auch im »richtigen« Leben demente Menschen und ihre Angehörigen. »Die Beratung im Netz ist für mich aber eine neue Herausforderung«, versichert sie. Schließlich müsse man sich auch auf die jüngere Generation einstellen, die häufig zuerst im Netz nach Informationen suche. Im Internet wage man, die banalsten und einfachsten Fragen zu stellen. Da komme beispielsweise eine Ehefrau nachts im Bett ins Grübeln über die schleichende Persönlichkeitsveränderung ihres Mannes. Sie weiß einfach nicht, was mit ihm los ist. Oder eine Enkelin erlebt, dass ihre Oma immer unruhiger, unsteter wird. Solche und ähnliche Fragestellungen werden hier geäußert.

Ulrike Kremers Arbeitsplatz ist zwar bei ihr zu Hause, sie ist aber in einen Dienstplan eingebunden. Wer eingeteilt ist, bleibt den ganzen Tag eingeloggt. Von 7 bis 22 Uhr. Ulrike Kremer und ihre ehrenamtlichen Kolleginnen wissen freilich auch um ihre Grenzen. Dann nehmen sie Kontakt auf zu den professionellen Fachberaterinnen. So sind an dem Projekt der TH die Fachberatungsstellen der Caritas und der Diakonie in Oberfranken, die Angehörigenberatung und der Pflegestützpunkt in Nürnberg beteiligt. Vom Freistaat wird das Projekt mit rund 250.000 Euro gefördert.

Mit weiteren Institutionen und Fachberatungsstellen wie Krankenkassen, Wohlfahrtsverbänden, der Alzheimergesellschaft, Selbsthilfegruppen und den zuständigen Ministerien ist man ebenfalls verlinkt. Der Ratsuchende kann sich also umfassend im Netz informieren und gegebenenfalls wirklich eine Beratungsstelle aufsuchen.

Hoher Sicherheitsstandard

Und wie sieht es mit dem Datenschutz und mit der Datensicherheit aus? Zauter: »Das Ganze läuft über eine spezielle Online-Beratungs-Software mit hohem Sicherheitsstandard.« Schließlich handle es sich um »geschützte, sensible Gespräche«, gewissermaßen um eine verdeckte Beratung, die nur Beratener und Beratender einsehen könnten. Per Mail werde dem Ratsuchenden, der ein Konto auf der Plattform führt, mitgeteilt, dass in seinem Online-Bereich eine Nachricht hinterlegt wurde. Mit Nicknamen und Passwort kann er dann die Nachricht öffnen.

Bei aller Aufgeschlossenheit für die digitale Entwicklung könne eine Online-Beratung, so Sigrid Zauter, jedoch niemals die persönliche Beratung ersetzen. Aber sie ist zutiefst davon überzeugt, dass sie eine wertvolle Ergänzung darstellt.

Günter Dehn

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