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Pflegekonferenz: gute Pflege und gesellschaftliche Teilhabe

Mehr Ehrlichkeit, mehr Wertschätzung für den Beruf, mehr Kompetenzen für Kommunen: Während der hochrangig besetzten Podiumsdiskussion im Rahmen der Berliner Pflegekonferenz tauschten sich Experten über die Situation in der Pflege aus und gaben wichtige Impulse für die neue Bundesregierung.
Gute Pflege ist keine Selbstverständlichkeit, aber eine Notwendigkeit. Foto: epd / Jürgen Blume

Mehr Ehrlichkeit, mehr Wertschätzung für den Beruf, mehr Kompetenzen für Kommunen: Während der hochrangig besetzten Podiumsdiskussion im Rahmen der Berliner Pflegekonferenz tauschten sich Experten über die Situation in der Pflege aus und gaben wichtige Impulse für die neue Bundesregierung.

Die Zahl der Pflegebedürftigen wird steigen, die Zahl der pflegenden Angehörigen sinken – und bereits jetzt spitzt sich aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen und Imageproblemen der demografiebedingte Fachkräftemangel in der Pflege zu. Was also sollte in der neuen Legislaturperiode unternommen werden, um unsere Gesellschaft und damit auch die Pflege „demografiefest“ zu gestalten? Mit dieser Ausgangsfrage eröffneten die Moderatoren Amelie Fried und Jörg Thadeusz die Podiumsdiskussion im Rahmen der Berliner Pflegekonferenz.

Der prominente Pflegekritiker Claus Fussek, der das Thema Pflege zur „Schicksalsfrage der Nation“ machen möchte und Deutschland in einem „Zustand kollektiver Verdrängung“ sieht, wandte sich direkt mit einer Aufforderung an das Publikum: Niemand sollte während der Diskussion zur Toilette gehen, um zu erleben, wie es sich anfühlt, ein Grundbedürfnis nicht befriedigen zu können. Fussek, selbst pflegender Angehöriger, ist der Meinung, das „Pflegen in die Betten“ habe System. „Je schlechter Sie gepflegt werden, je immobiler und pflegebedürftiger Sie sind, desto mehr Geld kriegt man in diesem System – das ist gesetzlich legitim.“ Rehabilitation vor Pflege stehe lediglich auf dem Papier – die Praxis sehe anders aus. Sein Wunsch an die Pflegekräfte ist es, sich untereinander zu solidarisieren und Probleme gegenüber der Politik ehrlicher zu kommunizieren.

Ganz ähnlich sieht das Franz Knieps, Vorstand BKK Dachverband e. V. und laut Moderator Thadeusz „die graue Eminenz hinter der Politik von Ex-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt“. Auch er hat erlebt, dass sich bei angekündigten Besuchen von Politikern alle „in Höchstform“ präsentieren, statt auf Missstände hinzuweisen. Nur zehn Prozent der Pflegenden seien bisher organisiert. Die Gewerkschaften oder Pflegeverbände sollten als Interessenvertreter attraktiver werden und es sollte ein schnelleres, organisiertes Lernen aus guten Beispielen geben. Er wünscht sich einen Aktionsplan zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Gesundheitswesen – und dass man notfalls auch gesetzlich konkretisiere, was in der betrieblichen Gesundheitsförderung zu tun ist. Geld sieht er nicht als Primärproblem. „Organisation, Personalausstattung, Schaffung eines ausreichenden Nachwuchspotenzials – das ist viel wichtiger, als nur über die Reallohnhöhe zu reden.“

Für die examinierte Altenpflegerin Sophia Warneke, Trägerin der Bronzemedaille WorldSkillsEurope, ist der Lohn – obwohl die Altenpflege 30 Prozent schlechter bezahlt wird als die Krankenpflege – ebenfalls nicht das wichtigste Thema. Vielmehr geht es ihr um Wertschätzung: „Ich mache meinen Beruf unheimlich gern, dennoch fehlen Pflegekräfte en masse – im stationären wie ambulanten Bereich. Wir brauchen dringend einen Imagewandel.“ Zu ihrem Beruf bekomme sie oft zu hören: „Das ist ja toll, aber ich könnte das nicht.“ Das sei für sie durch die Blume ein schlechtes Feedback.

Die stellvertretende Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO), Prof. Dr. Ursula Lehr, hat während des Wahlkampfs einen Fragenkatalog an die Politik formuliert zu allem, was alte Menschen betrifft. Zu ihren Kernforderungen zählt, den Pflegeberuf wieder attraktiv zu machen. Sie kritisiert zudem, dass Prävention und Rehabilitation in der Pflege zu wenig Beachtung finden. Der Begriff „gesund pflegen“ oder wenigstens „gesünder pflegen“ müsse wieder an Bedeutung gewinnen. Die Angehörigenpflege sollte besser gewürdigt und die Situation der Gepflegten verbessert werden. „Pflege darf nicht nur bewahrend sein, sondern sollte immer einhergehen mit Prävention – mit dem Bemühen, die vorhandenen Fähigkeiten, die Selbständigkeit zu verstärken“, sagt Lehr. Derzeit würde erfolgreiche Pflege durch die Regression der Pflegestufe jedoch nicht belohnt, sondern bestraft. Lehr mahnt darüber hinaus an, dass ältere Menschen nicht nur als „die zu Betreuenden“ gesehen werden sollten. „Auch die Hochaltrigen wollen eine Aufgabe, sich um etwas oder jemanden kümmern. Sie fühlen sich in dem Moment nicht einsam, in dem sie selber etwas tun können.“

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