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Die Athleten aus dem Seniorenstift

Challenge. Die Herausforderung. Ein Wort, das schon Wochen vor dem großen Ereignis das beschauliche Roth in Aufregung versetzt. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dann noch einen Marathonlauf – es ist die größte Herausforderung im Ausdauersport, und Roth ist jedes Jahr Schauplatz für diese Höchstleistung.

Mit großer Begeisterung werden die Sportler am Zieleinlauf empfangen. Foto: Tobias Tschapka

Challenge. Die Herausforderung. Ein Wort, das schon Wochen vor dem großen Ereignis das beschauliche Roth in Aufregung versetzt. 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dann noch einen Marathonlauf – es ist die größte Herausforderung im Ausdauersport, und Roth ist jedes Jahr Schauplatz für diese Höchstleistung.

Wenn erst einmal der Startschuss fällt, wenn es endlich losgeht, so wie zuletzt am ersten Juli-Wochenende, dann gerät auch das tägliche Gleichmaß in der Seniorenresidenz Augustinum etwas aus der Balance. Die Ausläufer des Challenge-Triathlons wirken sich dann auch auf die Bewohner und die Mitarbeiter des Augustinums aus.

Zwei Residenz-Staffeln mit Mitarbeitern des Augustinums, die sich jeweils das Schwimmen, Radfahren und Laufen untereinander aufteilen, stehen beispielhaft für die 650 Staffeln aus 75 Nationen, die am Triathlon in Roth in diesem Jahr teilnahmen. »Die Idee, Staffeln des Augustinums ins Rennen zu schicken, wurde vor einigen Jahren geboren«, sagt Martina Niesel, ansonsten für die kulturellen Veranstaltungen im Haus zuständig. Die drahtige 55-Jährige geht selbst als Schwimmerin an den Start; darüber hinaus koordiniert und motiviert sie ihre Kollegen.

Küchenchef läuft Marathon
Die 180 Kilometer auf dem Fahrrad absolvierte Stefan Beege vom Nürnberger Klinikum, der, so Martina Niesel, immer wieder mal mit Bewohnern des Wohnstifts zu tun hat. Dritter im Bunde war Philipp Nagel, der im Juli seinen ersten Marathon durchgestanden hat. Für den 31-jährigen Küchenchef des Augustinum war der Triathlon wahrlich eine echte Herausforderung. »Ich hatte mich kaum vorbereitet, lag noch bis zwei Tage vor dem Start mit Schüttelfrost und Magenkrämpfen flach«, berichtet er. Gab es zur Regeneration ein Spezial-Menü? »Nein, nein«, wehrt Nagel ab, »ich hab’ mir eine Pizza bestellt.« Und die Bewohner? Blieb am Sonntag die Küche kalt? Der Küchenchef: »Natürlich hat die Küche auch am Challenge-Sonntag alle vier Menülinien angeboten. Unser 12-köpfiges Team hat das sehr gut auch ohne mich geschafft.«

Während Nagel zum ersten Mal dabei war und im kommenden Jahr auf jeden Fall wieder den Platz am Herd mit der Rennstrecke tauschen möchte – »der Triathlon hat Suchtpotential« –, war es für Augustinum-Kulturreferentin Niesel bereits der vierte Start. »Ich habe eigens für den Triathlon das Kraulen gelernt«, bekennt sie.

Erstes sportliches Großereignis für zwei Berliner
Erstmals hat sich in diesem Jahr eine zweite Augustinum-Staffel der Herausforderung gestellt. Antje Langohr (39) und ihr Mann Björn (39) waren für das Wettkampf-Wochenende von Berlin nach Franken gereist. Ihr Team komplettierte der Münchner Norbert von Hoerschelmann mit dem Fahrrad. Für alle drei war der Roth Challenge das erste sportliche Großereignis dieser Art. »Eigentlich wollte ich vorher aussteigen«, meint Norbert von Hoerschelmann, der in den Augustinum-Werkstätten in München mit behinderten Menschen in Werkstätten arbeitet. Außer der täglichen Radl-Fahrt zur Arbeit hatte er bis dato nur ein paar Rundfahrten absolviert.

An Unterstützung mangelte es den sechs Sportlern nicht. Das Augustinum liegt, wenn man so will, im Zentrum des Geschehens. So führt die Laufstrecke direkt am Haus vorbei. Damit die Bewohnerinnen und Bewohner den ganzen Trubel nicht nur als Belästigung empfinden, sondern am Ereignis auch teilhaben, werden beispielsweise Carports leer geräumt, von wo aus die Senioren die Marathonläufer anfeuern können. »Außerdem«, sagt Martina Niesel, »hatten wir Transfers zum Kanal bei Heuberg organisiert, damit Interessierte aus unserem Haus den Schwimmern und Radfahrern zusehen können.«

Es hat außerdem schon Tradition, dass im Rother Augustinum auch auswärtige Triathleten eine Herberge finden, gemäß dem Bibelzitat »Gastfrei zu sein, vergesset nicht, denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt«. Da ist der 70-jährige Neuseeländer Jim Goodwin, der als Einzelstarter die gesamte Distanz absolvierte und nach etwas über 16 Stunden von einem begeisterten Publikum beim Zieleinlauf begrüßt wurde. Oder das Team Vorburger/Hiltenbrand, das wenig später nach Goodwin den Triathlon erfolgreich beendete. Yves Vorburger ist Rollstuhlfahrer. Er wurde von seinem Freund Mathieu Hiltenbrand durch einen freilich etwas reduzierten Kurs bewegt. Und im vergangenen Jahr konnte sich die Schweizerin Daniela Ryf, Challenge-Siegerin bei den Frauen 2017 und 2016, nach den Strapazen von Küchenchef Nagel und seinem Team wieder aufpäppeln lassen. Besonders wohl fühlt sich eine namensverwandte Staffel in der Augustinum-Herberge: die »Jungs vom Augustinerbräu«.

Eine Senioren-Staffel des Augustinum aufzustellen, ist bislang nicht gelungen. Auch nicht über die Kurz-Distanz. Niesel: »Aber wir sind mit Bewohnern immer wieder im Austausch, es könnte ja auch ein Familienmitglied die Staffel ergänzen.«

Die Berliner jedenfalls haben »Blut geleckt«. »Wir wollen«, prophezeit Antje Langohr, »künftig nicht nur am Rother, sondern auch an anderen Triathlon-Veranstaltungen teilnehmen. Roth allein reicht nicht mehr.« Auch der Münchner von Hoerschelmann, der noch nie zuvor eine 180-Kilometer-Strecke auf dem Sattel bewältigt hatte, will trotz einiger Nachwehen – nach 90 Kilometern Sitzbeschwerden, nach 120 Kilometern Knieprobleme, Anzeichen von Sonnenstich – auch im nächsten Jahr wieder antreten. Übrigens: Das Gerstensaft-Team aus München war etwas früher im Ziel als die Rother Residenz-Staffeln.

Text: Günter Dehn

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