Beinahe zehn Jahre ist es her, dass sich Anita und Klaus Köhler aus der Nürnberger Südstadt für eine Idee begeistern ließen. Dass daraus später einmal eine wohltätige Stiftung werden würde, die sogar ihren Namen trägt, hätten sich die beiden nie träumen lassen.
Die Köhlers sind seit vielen Jahren engagierte Gemeindemitglieder der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche in Lichtenhof. Dort besuchen sie im Jahre 2009 einen Vortrag von Heikko Deutschmann. Der österreichische Schauspieler, bekannt aus dem Tatort und aus der Serie »Ein Fall für zwei«, ist Schirmherr der Aktion »Schutzbengel«, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzt und Projekte unterstützt wie den »S-Löffel« in Nürnberg, der täglich rund 100 Südstadt-Grundschüler mit einem warmen und gesunden Mittagessen versorgt. Deutschmann spricht in der Kirche aber über eine andere Idee, von der Anita und Klaus Köhler gleich angetan sind: das Kümmerland. Es geht um Kinder, die in die Schule müssen, obwohl sie sich schon vor dem Unterricht unwohl fühlen, deren Eltern aber keine Möglichkeit haben, mit ihnen zu Hause zu bleiben. Im Kümmerland sollen sie einen Rückzugsort erhalten, einen Raum, in dem sich eine Erzieherin um sie kümmert, sie aufpäppelt. Bis es ihnen besser geht.
Vor sechs Jahren ging es los
Das Konzept überzeugt Anita und Klaus Köhler auf Anhieb. Auch weil es direkt vor ihrer Haustür in der Sperberschule starten soll. Das Kümmerland macht Anita Köhler deutlich, »dass man so viel in der eigenen Stadt machen kann«. Vor allem für die, die sich selbst nicht helfen können, wie Kinder.
Also spenden sie Geld – aber es tut sich nichts. Sie hören oder lesen nichts mehr von dem Projekt. Anita Köhler hakt nach, mehrmals. Sie bekommt gesagt, dass das Geld noch nicht reicht. Als sie das zum dritten Mal hört, beschließen die beiden Rentner im Frühjahr 2012, sich selbst um das Kümmerland zu kümmern und die nötigen Mittel zusätzlich aufzubringen.
Zur selben Zeit lädt das Caritas-Pirckheimer-Haus zum Stiftertag. Anita Köhler liest die Ankündigung in der Zeitung, und die beiden schauen spontan vorbei. Gleich am ersten Tisch bleiben sie hängen. Dort lernen sie Mathias Kippenberg kennen, der Diakon leitet das Rummelsberger Stiftungszentrum. Schnell kommen die Köhlers mit ihm ins Gespräch und erzählen vom Kümmerland. Zu ihrer Überraschung erfahren sie, dass das Projekt, genau wie die Aktion Schutzbengel, zur Rummelsberger Diakonie gehört. Plötzlich tut sich für das Ehepaar ein Weg auf, wie sie ihr Herzensprojekt doch noch zum Laufen bringen können. »Über eine eigene Stiftung hatten wir vorher nicht nachgedacht«, erinnern sie sich. Wenige Stunden später haben sie sich genau dafür entschieden. Die Gründung der »Familienstiftung Anita und Klaus Köhler und Familie Hahn« ist beschlossene Sache.
Sechs Jahre später ist das Kümmerland Wirklichkeit. Weil an der Sperberschule kein Platz ist, haben jetzt die Kinder an der Wiesenschule in Steinbühl diesen Rückzugsraum. Die Grundschüler, die Wurzeln in 40 Ländern haben, finden dort nicht nur Ruhe, wenn sie krank sind, »sondern auch wenn sie Ärger mit Mitschülern oder mentale Probleme haben«, sagt Anita Köhler, die oft zu Besuch ist.
Häufig genügt den Kindern ein kurzer Aufenthalt in dem mit Liegen und Büchern ausgestatteten Zimmer und eine Tasse Tee, ehe sie in den Unterricht zurückkehren können. Manchmal dauert es länger. Ein Junge war kaum ansprechbar, auch die Eltern waren ratlos. Langsam tastete sich Pädagogin Karin Boden an das Problem heran und erfuhr: Der Schüler trauerte um seinen Großvater, der kurz zuvor verstorben war. Als er endlich darüber sprach, ging es ihm besser.
Das Stiftungsvermögen alleine reicht nicht ganz für den Betrieb des Kümmerlands. Die laufenden Kosten »werden aber auch über Spenden und Sponsorengelder mitfinanziert«, sagt Klaus Köhler bescheiden, der das eigene Engagement mit einer »gewissen Verpflichtung« begründet, »wenn’s einem selber gut geht«. Die beiden sind überzeugt, dass ihre Hilfe notwendig ist.
Rummelsberger Berater
Sie geben aber zu: Ohne Hilfe von außen hätten sie selbst keine Stiftung gegründet. Die Rummelsberger Diakonie, die das Stiftungszentrum seit elf Jahren betreibt, nimmt ihnen viel Arbeit ab, von der Kontoführung über die Buchhaltung bis zur Jahresabrechnung. Vor allem fühlen sich Anita und Klaus Köhler im Kreis der Stifter gut aufgehoben. Regelmäßig treffen sie sich zu Jubiläen oder beim Jahresfest, alle zwei Jahre unternimmt die Gruppe eine Reise, bei der auch Freundschaften entstehen.
Das Stiften verbindet sie miteinander. »Wir sind eine gute Gemeinschaft«, sagt Anita Köhler. Eine, die zusammenhält. Wie vor kurzem, als eine Stifterin nach einem Unfall im Krankenhaus lag. Sofort griff Anita Köhler zum Telefon, rief an und fragte, wie sie helfen kann. Weil sie selbst weiß, wie »schön es ist zu wissen, dass jemand da ist, wenn man Hilfe und Unterstützung braucht«. Egal ob es ein trauernder Grundschüler oder eine verletzte Stifterin ist.
Auf Messen und Stiftertage gehen Klaus und Anita Köhler heute noch immer, nur stehen sie jetzt auf der anderen Seite des Tisches. Sie versuchen, neue Stifterinnen und Stifter zu gewinnen, egal wer an ihren Tisch kommt. Vielleicht auch nur ganz zufällig.
Text: Timo Schickler