Anzeige

Die Digitalisierung im Haushalt treibt Blüten

Wehe, wenn die Küche intelligent wird. Da hat es die Hausfrau schwer. Zeichnung: Sebastian Haug

Manchmal spreche ich mit meinen Haushaltsgeräten. »Jetzt sei endlich still!«, sage ich streng zu meinem Herd, der sich ausdauernd piepsend beschwert, wenn ein Gegenstand auf seinem Bedienfeld liegt – das kann er nämlich gar nicht haben. Die Waschmaschine hört nicht auf, mir geräuschvoll mitzuteilen, dass die Wäsche fertig ist, und der Trockner tut es ihr gleich. Mein »Ich komme ja schon!« ist ihnen egal – von Geduld haben diese elektronischen Herrschaften noch nichts gehört. Zum Glück gibt wenigstens der Kühlschrank keinen Ton von sich, er ist ein älteres Modell. Mit Grausen stelle ich mir vor, in meiner Küche stünde so ein Smart-Home-Dingsda, wie letztes Jahr der Öffentlichkeit präsentiert: So ein »Quad-Core-Kühlschrank Family Hub mit Tizen-OS« zum Beispiel, der den Inhalt kontrolliert, das Haltbarkeitsdatum der Lebensmittel registriert und meldet und sonst noch alles Mögliche kann. Bei mir würde er verrückt: »Wieder bloß Joghurt da und ein paar Tomaten, nichts mehr frisch! Milch könntest du auch mal wieder besorgen und deine Fleisch-Schublade ist sowieso leer…«

Diagnose vom Bett aus

Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Bald kann ich vielleicht meinem Arzt ein Schnippchen schlagen und auf Online-Kommunikation mit einem Digital-Doktor umsteigen. Während ich krank, aber bequem zu Hause vor dem Laptop sitze und meine Beschwerden schildere, schaut mich der Mediziner auf dem Bildschirm konzentriert an, hört genau zu, stellt sorgfältig die Diagnose und verschreibt ein Medikament. Anschließend verkrümele ich mich wieder in mein Bett. Davon träume ich gelegentlich, vor allem, wenn ich mal wieder vom Hausarzt komme. »Reden Sie ruhig weiter«, ermuntert mich der junge Arzt, der mich behandelt, seit sich mein alter Hausarzt in den Ruhestand verabschiedet hat. Der Neue liebt offenbar vor allem die Dokumentation und hämmert, während ich meine Erkrankung zu schildern versuche, mit Höchstgeschwindigkeit auf die Tastatur seines Computers ein. Als ich nach Rekordzeit sein Sprechzimmer verlasse, frage ich mich, ob er mich beim nächsten Besuch wiedererkennt oder nur anhand seiner PC-Notizen identifiziert.

Andererseits: Warum sollte es in Arztpraxen anders sein als zum Beispiel bei der Bank? Geldinstitute wollen ihre Kunden schon längst nicht mehr persönlich sehen, dafür haben sie diese netten Automaten aufgestellt und das fabelhafte, durch und durch undurchlässige online-banking installiert.
Egal, das mit dem Geldverkehr ist längst nicht so schlimm wie der Kauf einer Hose in diesen Zeiten. Jüngere Leser, kurz mal ausblenden, hier geht es um ältere weibliche Personen, die ihre Bekleidung gern noch im Laden kaufen und nicht im Netz bestellen. Da liegen in Kaufhaus-Etagen die Jeans in hohen Stößen, sortiert nach Größen, Farben und Weiten und werden freundlich mit Musik beschallt. Keine Verkäuferin weit und breit.

»Tja, welche könnte passen?« – Die ratlose Kundin greift zwei oder drei aus den Stapeln heraus und probiert sie an. »Nö, geht nicht.« Also neue Hosen aus, eigene Hose an, raus in den Verkaufsraum, die nächste gepackt. Eigene Hose aus, neue Hose an, – »passt nicht! – Hose aus, Hose an, raus…. und so fort. So die arme Kundin nicht die Krise gepackt und sie beschlossen hat, bis ans Ende ihrer Tage in den alten Klamotten herum zu laufen, sondern der Glücksfall eines passenden Teils eingetreten ist, geht es auf zur Kasse – irgendwo muss sie ja sein.

Ich weiß schon, ich bin abgeschweift, vom Kühlschrank bis zum Hosenkauf. Typisch für alte Leute, die können einfach nicht beim Thema bleiben. Bitte berücksichtigen Sie: Meine Oma hat noch zu Kaisers Geburtstag schulfrei gehabt. Jetzt können Sie mal rechnen …

Brigitte Lemberger
Illustration: Sebastian Haug

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Skip to content