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US-Fast-Food mit Muße

 Hello All, „Reisender, kommst Du nach“ … USA, solltest Du Geduld mitbringen. Viel Geduld für Fast Food und Coffee To Go, also für Schnellimbiss mit Kaffee zum Mitnehmen. Denn das uramerikanische Primat des „Time is Money“, Zeit ist Geld, hat in der US-Systemgastronomie schwerwiegende Konkurrenz bekommen. Von Frische, Qualität – und optimierten Prozessen. Die kosten Zeit; die des Kunden wohlgemerkt, nicht des Personals.

Wer altgewohnten Fast Food will, wird zeitgenössisches Warten ernten. Zunächst in der Bestellwarteschlange. Die ermöglicht das Studium von Standard, Signature und Special Meals, Sonderangeboten, Combos und Zusätzen; sei es anhand von Wandtafeln oder an besonders zeitintensiven Selbst-Bestellungsautomaten und deren trickreichen Menü-Steuerungen. Wer wie ich noch analog bestellt, rückt irgendwann zum Bestell-Interview auf. Was ich ursprünglich wollte? Ob ich, und wenn ja, welche Lebensmittelallergien habe? Ob ich nicht-vegane Zusätze vertrage?  Die Portion wirklich nur klein anstatt mittel oder am besten ganz groß?  Mit einem Upgrade, Mark-Up, Seize-Up oder anderen kostenpflichtigen Aufmotzern?  Mit Soße Thai, Texas, italienisch oder mexikanisch? Zum Hieressen oder Mitnehmen?

Am Ende der Befragung erhalte ich meinen Laufzettel zur nächsten Station mit ergiebigem Wartepotential: Kasse. Wie bezahlen? Per Prepaid-Card, Apple-Pay, Debit-oder Credit-Card, gar in Cash? Ob ich Kriegsveteran oder anderweitig berechtigt bin für einen Preisrabatt? Kundenkarte? Falls per Kredit Card: Postleitzahl in den USA und Aufrunden des Betrags zur Spende? Trinkgeld in Höhe von 16, 18 oder 20% ankreuzen? Erschöpfend abgefragt, nehme ich den Bezahlbeleg samt Bestellcode entgegen und reihe mich in die Warteschlange „Ausgabe“ ein. Mit üppiger Zeit, der Genesis meiner Bestellung entgegenzufiebern. Endlich: Mein Laufzettel ist an der Anrichtetheke angekommen. Ich begleite als Augenzeuge, wie mein Burger Schicht für Schicht sich auftürmt: Untere Brötchenhälfte rösch vom Toast, darauf knackige Salatblätter, Truthahnbrust frisch vom Grill,  farbige Soße darauf verteilt, darüber noch eine Schicht Eisbergsalat, Gurke, Tomatenscheibe und die Decklage Brötchen.  Der Burger wandert zur nächsten Station an der Theke, wo behandschuhte Hände das Oeuvre in Servietten, Alufolie und in eine bioabbaubare Tüte wickeln. Ich präsentiere meinen Berechtigungsschein, schnuppere am Burgerpaket und stelle mich zur nächsten Warteschlange beim Kaffeezubereiter. Mein Abholzettel löst Klimpern von Kaffeebohnen aus. Aus einer Kupfertrommel entnimmt der Barista exklusiv meine Dosis an Bohnen, wiegt sie ab  und füllt diese andächtig in eine chromglänzende Mühle. Hat das Mahlwerk ausgeknattert, wandert das Pulver erneut in einen Messbecher, von dort in einen frischen Filter. Per Hand übergießt der Barista das Ganze in drei zeitlich abgestimmten Schritten mit Heißwasser. Nur wenige Minuten später halte ich einen braunen Recycle-Becher frischen, voll duftendem ekuadorianischen Hochlandkaffee aus Fair-Trade Anbau- und Handel.  Bis ich im Food-Court einen freien Tisch finde, vergeht ein weiteres Weilchen, währenddessen Burger und Kaffee auf Genusstemperatur abkühlen. Ich habe die Zeit nicht gestoppt. Sie wurde mir lang.

Für mich war früher Fast Food etwas für junge Leute und solche mit ganz wenig Zeit zum Essen. US-Fast-Food 2019 bietet Transparenz, Frische und Zeit, um lockere Konversation in den Warteschlangen zu üben. Fast-Food, eigentlich ideal für Senioren; nur nicht für die Eiligen.

Ihr Global Oldie

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