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Wie fit muss ein Erblasser sein?

Wer ein Testament verfasst, muss geistig noch fit sein. Doch wie entscheidet man, ob dies noch der Fall ist? Rechtsanwalt Gerhard Meyer weiß, wie man sein Testament vor späteren Absicherung schützt, ohne einen kompletten Gesundheits-Check durchführen muss. Zudem weiß er, dass spätere Zweifel seitens der Erben an der Gemütsverfassung des Erblassers selten zu Änderungen des letzten Willen führen.

Gerhard Meyer ist Experte für Erbrecht und weiß, wie man Streit unter Erben vermeidet. Foto: Mile Cindric
Das traut das Gesetz uns wann noch zu? Wenn es darum geht, ein Testament aufzusetzen, spielt das Alter juristisch keine Rolle. Wohl aber, ob man im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. Genau das bezweifeln aber später häufig vor allem diejenigen Angehörigen, die beim Erbe nicht bedacht wurden, wie Rechtsanwalt Gerhard Meyer aus Erlangen weiß.
sechs+sechzig: Herr Meyer, welche Voraussetzungen muss jemand erfüllen, der ein Testament schreibt?
Gerhard Meyer: Er muss dazu »testierfähig« sein. Das ist grundsätzlich jeder ab dem 16. Lebensjahr, es sei denn, er ist nicht zur freien Willensbildung fähig. Das ist häufig bei Menschen mit Demenzerkrankungen oder unter Einfluss starker Medikamente der Fall. Im Übrigen ist man keineswegs allein deshalb testierunfähig, weil man einen Betreuer oder einen Pfleger hat.
Wie wird die Testierfähigkeit geprüft? Macht das der Notar?
Wenn jemand sein Testament notariell errichten will, wozu niemand verpflichtet ist, muss der Notar zuvor die Testierfähigkeit überprüfen. Das geschieht allerdings nicht in intensiver Weise, da er ja kein Mediziner ist. Es genügt, wenn jemand im Gespräch völlig normal wirkt.
Wo entstehen dann die Probleme?
Schwierig wird es häufig später, wenn der Erbfall eintritt und Erbstreitigkeiten beginnen. In meiner Kanzlei ist die Testierfähigkeit bei fast jedem erbrechtlichen Mandat ein Thema. Das heißt, Erben, die sich benachteiligt fühlen, zweifeln im Nachhinein die Testierfähigkeit des Erblassers an, nach dem Motto: Das wusste doch jeder, dass die Oma nicht mehr ganz klar war.
Mit Aussicht auf Erfolg?
Meist eher nicht, da die Erben die Beweislast haben. Die Testierunfähigkeit kann nur von Psychiatern oder Neurologen attestiert werden. Die Erben müssen dann im Nachhinein, also nach dem Tod des Erblassers, ein reines Aktengutachten erstellen und können nur selten zweifelsfrei eine Testierunfähigkeit feststellen. Damit gilt dann fast immer das betreffende Testament.
Was kann man im Vorfeld tun, um diese Probleme zu vermeiden?
Bei absehbaren Erbstreitigkeiten sollte man sich die Testierfähigkeit von seinem Arzt bestätigen lassen. Am besten am selben Tag, an dem man zum Notar geht. Damit sind alle Zweifel von vornherein ausgeschlossen. Das gilt auch, wenn man selbst oder die Angehörigen Bedenken haben.
Was bleibt einem Testierunfähigen übrig?
Im Grunde sehr wenig, da es eine eingeschränkte Testierfähigkeit nicht gibt. Es gilt dann also entweder das schon bestehende Testament oder es tritt die gesetzliche Erbfolge ein.
Ein anderer Bereich, bei dem viele Betroffene die Voraussetzungen nicht kennen, sind Betreuungen. Existieren für Betreuer Altersgrenzen?
Nein, überhaupt nicht. Wenn jemand 89 Jahre alt ist und die Betreuung für seine 87-jährige Frau übernehmen möchte und dies auch kann, spricht nichts dagegen. Es geht ausschließlich um die persönliche Eignung.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass oft sehr betagte Ehepartner als Betreuer eingesetzt werden. Bei der Übernahme einer Pflegschaft, die sich im Unterschied zur Betreuung nur auf bestimmte Bereiche bezieht und zeitlich klar abgegrenzt ist, sieht es anders aus. Hier werden in aller Regel Rechtsanwälte oder Ämter eingesetzt.
Wie genau beurteilt ein Betreuungsgericht die persönliche Eignung?
Es ist verpflichtet, auf die Wünsche des Betreuten einzugehen und sollte idealerweise im persönlichen Umfeld einen Betreuer finden. Entscheidend ist zum einen die körperliche Verfassung des Betreuers, aber zum anderen auch die Frage, ob er die nötigen Kenntnisse hat. Denn solange eine betreute Person vielleicht nur ein Sparbüchlein hat, ist das alles noch einfach. Sobald aber zum Beispiel vermietete Wohnungen oder Ähnliches ins Spiel kommen, wird es schon schwierig.
Betreuer zu werden ist also möglicherweise leichter als es zu sein?
Viele wissen nicht, was sie sich antun. Ich rate jedem, sich selbst sehr genau zu prüfen, ob er die nötigen Kenntnisse hat.
Dennoch ist die Betreuung durch eine Person aus dem privaten Umfeld besser als die durch einen Berufsbetreuer?
Möglicherweise ja, denn auch Berufsbetreuer kommen aus einem bunten Spektrum an Personen. Wir haben jetzt einen Fall, in dem ein Berufsbetreuer mit seiner betreuten Person nicht zur Krebsvorsorge gegangen ist – und sie hat nun eine schwere Krebserkrankung. In einem anderen Fall wurden betreuten Menschen Versicherungsverträge angedreht. Damit will ich nicht sagen, dass alle Berufsbetreuer nachlässig oder kriminell handeln, aber es gibt eben auch solche Fälle.
Jenseits von Testament und Betreuung – gibt es gesetzliche Schranken aus Altersgründen?
Sie können nie aus dem Alter eine Rechtsfolge ableiten, außer natürlich bei so etwas wie Rente oder in bestimmten Berufen. Niemand darf aufgrund seines Alters in seiner Geschäftsfähigkeit eingeschränkt werden, das widerspräche dem Grundgesetz. Sie dürfen auch mit 72 Jahren promovieren und mit 92 noch im Aufsichtsrat eines Unternehmens sein.
Alexandra Buba
Foto: Mile Cindric

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