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von Günter Dehn

Kilian und sein Opa Wolfgang haben von Klassik bis zu Gassenhauern alles drauf. Foto: Michael Matejka
Kilian und sein Opa Wolfgang haben von Klassik bis zu Gassenhauern alles drauf. Foto: Michael Matejka

Würde Hugo Wolf noch leben – der 1903 verstorbene Komponist müsste unbedingt einmal in der Hausnummer 25 auf der nach ihm benannten Straße im Nürnberger Ortsteil Katzwang vorbeischauen. Er könnte dann vor dem Klingeln noch eine Weile im Vorgarten des Einfamilienhauses den Tönen nachlauschen, die da hinter den Fenstern erklingen. Innen müsste er dann die Treppe emporsteigen in das große helle Dachzimmer. Zu sehen bekäme er dort einen gut erhaltenen Senior von 76 Jahren und einen ernsthaften Knaben von 11 Jahren im gemeinsamen Posaunen-Duett – nämlich Wolfgang Walk und seinen Enkelsohn Kilian.
Seit fast vier Jahren spielt Kilian in der Bläserklasse der Steiner Musikschule. Zuvor stieg er in einer Testphase ins »Instrumenten-Karussell« und probierte mehrere Instrumente aus, um herauszufinden, welches ihn auch emotional am meisten anspricht: »Oboe, Schlagzeug, Gitarre, Trompete und Violine«, zählt er auf.
Bei Violine lacht Kilian etwas verlegen. Dieses Instrument war nicht einmal in die engere Wahl gekommen. Schließlich war es die golden leuchtende Posaune, die Kilians Sympathie gewann. Und der Großvater hat bestimmt den Enkel in der Musikschule angemeldet?! Beide lachen. Wolfgang Walk stellt sofort richtig: »Es war gerade andersherum. Kilian hat mich gewissermaßen klammheimlich für das Posaunespielen bei seinem Lehrer ins Gespräch gebracht.« Er habe halt, meint der Enkel, seinem Musiklehrer vom Opa erzählt, dass er Klavier spiele, auch Akkordeon und sogar Ukulele, und da könne er doch auch noch Posaune probieren. Der gutmütige Opa ließ sich darauf ein und ist vor eineinhalb Jahren in der Steiner Musikschule bei den »Spätzündern« gelandet, um einmal in der Woche dem messingglänzenden Blechblasinstrument runde und kraftvolle Töne zu entlocken. Positiver Nebeneffekt des Spieles ist die Stärkung der Konzentrationsfähigkeit und der Lunge.
Mutter bremst ihren Sohn manchmal
Einmal in der Woche ist Kilian, der das Musische Gymnasium in Schwabach besucht, bei den Großeltern. Dass er in der Steiner Musikschule spielt und dort unterrichtet wird, kommt ihm im Gymnasium zupass. Anstatt einer dritten Fremdsprache kann man an der Schule nämlich auch ein Instrument wählen. Die Frage erübrigt sich, für welches Instrument sich Kilian entschied.
Trotz seiner Liebe zur Musik hat Kilian durchaus noch Zeit für seine Hobbies wie dem Handballspielen in der E-Jugend des TV 03 Eibach. Hier, in diesem Nürnberger Stadtteil, ist er auch zu Hause, in einem doch ziemlich dünnwandigen Reihenhaus. Und Mutter Heike muss ihren Sohn manches Mal ausbremsen, wenn er sich in dämmriger Morgenstunde vor der Schule noch schnell die Posaune schnappt, um ihr ein paar Töne zu entlocken oder der Mutter noch ganz schnell etwas vorzuposaunen. »Doch wir haben verständnisvolle, wahrscheinlich auch musikbegeisterte Nachbarn«, versichert die 45-Jährige.
Liebevoller Ton
Etwas Besonderes ist es indes immer wieder, wenn Opa und Enkel gemeinsam musizieren. Das Repertoire ist breit gefächert. Da erklingen klassische Weisen wie »L’Arlésienne« von Georges Bizet, aber auch Gassenhauer aus Musicals und Filmmusiken. Blasmusik hingegen, wie sie in Bierzelten rauf und runter gespielt wird, ist ihre Sache nicht. Keine Frage, dass es keineswegs die Seniorenwürde des Großvaters verletzt, wenn ihm der erfahrenere Posaunist Kilian ein paar Tipps gibt oder liebevoll auf einen Ton hinweist, der mehr auf der Moll- als auf der Dur-Linie gelandet ist. Mit Vergnügen verfolgen Kilians Mutter und Oma Ellen das generationenübergreifende Musizieren der beiden.
Kilians Mutter Heike ist, wenn man so will, das zweite Opfer ihres Sohnes. Nachdem Kilian den Großvater an die Posaune gebracht hatte, motivierte er seine Mama zum Musikunterricht, um mehr aus ihrem Gitarrenspiel zu machen. Nur seine Oma hat er noch nicht herumgekriegt. Die sportliche 70-jährige hat sich bisher jedem Instrument verweigert. Sie lässt immerhin seit Jahren ihre Stimme im Lehrergesangverein erschallen. Kilian gibt sich damit zufrieden. Bis jetzt.

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