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Nicht nur der Verstand, sondern auch die Emotionen entscheiden über die Behandlung. Foto: epd
Nicht nur der Verstand, sondern auch die Emotionen entscheiden über die Behandlung. Foto: epd

Welche Therapie ein Arzt empfiehlt, hängt nicht nur von medizinischen Aspekten ab. Auch sein Verhältnis zu einzelnen Patienten und seine eigene Ansicht zur Lebenssituation im Alter spielen eine Rolle. Das hat ein Forscherteam von der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit Kollegen der Universität Oxford im Zusammenhang mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen herausgefunden.
„Therapieentscheidungen bei fortgeschrittenen, lebensbedrohlichen Erkrankungen gehören zu den schwierigsten Herausforderungen in der Medizin“, sagt Jan Schildmann, Leiter der NRW-Nachwuchsforschergruppe „Medizinethik am Lebensende: Norm und Empirie“. Denn oft lägen nur wenige wissenschaftliche Daten zum Nutzen und Schaden von Therapien in solchen Situationen vor. Am RUB-Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, geleitet von Prof. Dr. Dr. Jochen Vollmann, untersuchten die Wissenschaftler, wie an Krebs erkrankte Patienten die Aufklärung über mögliche Therapien bewerteten und anhand welcher Kriterien die behandelnden Ärzte entschieden. Zu diesem Zweck interviewten die Forscher onkologisch tätige Ärzte und Krebspatienten und werteten die Gespräche qualitativ aus.
Persönliche Werte beeinflussen Therapieempfehlungen der Ärzte
In die Entscheidung für oder gegen eine Therapie flossen neben medizinischen Faktoren Alter und Lebenssituation der Patientinnen und Patienten mit ein – etwa ob sie eine Familie hatten. So sagte einer der Ärzte: „Instinktiv denke ich: Das ist ein junger Patient mit einer jungen Familie. Da muss ich noch mehr versuchen, ihm zu einem etwas längeren Leben zu verhelfen.“ Die Ärzte zogen auch Vergleiche zu ihrem eigenen Alter und ihrer eigenen Lebenssituation. „Vor kurzem hatte ich eine junge Frau mit Töchtern im Teenageralter, gleiches Alter wie meine Töchter. Also hatte ich das Gefühl … es sollte mich nicht beeinflussen, aber man kann sich vorstellen, man wäre selbst diese Person“, so ein Beispiel aus einem der Interviews. Die Ergebnisse der in England durchgeführten Studien stimmen mit zuvor publizierten Ergebnissen aus Deutschland überein.
Wünsche der Patienten ändern sich im Lauf der Erkrankung
Um die Wünsche der Patienten zu erfassen, sprachen die Forscher mit an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten Personen. Das Ergebnis: Zu Beginn einer Behandlung verarbeiteten die Patienten die Informationen, die sie erhielten, kaum; entscheidend war das Vertrauen in den Arzt. „Ich habe mein Leben und meine Krankheit in die Hände eines Spezialisten gelegt und gesagt: Sie werden das richtig machen“, erzählte einer der Teilnehmer. Im Verlauf der Erkrankung lernten die Menschen jedoch, die Worte der Ärzte besser zu verarbeiten; dann wünschten sie mehr Information und wollten über mögliche Therapien mit entscheiden.
Werturteile reflektieren
„Aufgrund der Methode lassen sich diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Ärzteschaft beziehungsweise alle Patienten mit Krebserkrankungen übertragen“, sagt Jan Schildmann. Allerdings weisen auch Ergebnisse anderer Forschergruppen darauf hin, dass Ärzte nicht allein anhand medizinischer Aspekte Therapieratschläge aussprechen. „Ärzte sollten die Werturteile, die eine Rolle bei den Empfehlungen spielen, reflektieren. Sie sollten auch prüfen, welche Informationen Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt tastsächlich in die Lage versetzen, entsprechend ihren Wünschen an der Entscheidungsfindung teilzuhaben.“

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