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Wohlverdienter Lebensabend auf Mallorca: ein älteres deutsches Ehepaar genießt das Inselleben und die lokale Küche. Aber welches nationale Erbrecht gilt für die beiden? Foto: epd
Wohlverdienter Lebensabend auf Mallorca: ein älteres deutsches Ehepaar genießt das Inselleben und die lokale Küche. Aber welches nationale Erbrecht gilt für die beiden? Foto: epd
Das Erben in Europa ist jetzt einfacher: Seit Mitte August gilt die neue EU-Erbrechtsverordnung. Betroffene europäische Bürger, zu denen auch Auslandsdeutsche zählen, sollten sich darüber informieren, was sich für sie ändert und ob Handlungsbedarf besteht. Bislang gab es keine einheitliche europäische Regelung dafür, welches nationale Erbrecht in grenzüberschreitenden Fällen gilt und welche Gerichte oder Behörden zuständig sind. Für die Erben konnte die Abwicklung schnell chaotisch werden.

Damit macht die EU-Verordnung Schluss: Bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist seit dem 17. August für den gesamten Nachlass demnach eine Rechtsordnung zuständig, und zwar die des Staates, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Auch die Zuständigkeit von Gerichten und Behörden bestimmt sich danach. Dr. Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht, rät künftige Erblassern, die im Ausland leben: “Sie sollten gerade wegen dieses Wohnsitzprinzips vorsichtig sein und genau prüfen, welche Folgen das Erbrecht der Wahlheimat bei ihrem Tode hat. Viele wissen nicht, wie unterschiedlich die Erbrechtsgesetze der Mitgliedstaaten sind.“ Ein Beispiel ist etwa das Erbrecht von Ehegatten und Kindern: In Deutschland erben sie grundsätzlich gemeinsam, in Schweden erbt unter Umständen der Ehegatte alleine und in Frankreich wiederum haben Ehepartner meist nur eine Art Nießbrauch am Nachlass.

Wer zu dem Schluss kommt, dass er trotz Wahlheimat im Ausland nach dem Recht seines Heimatlandes vererben will, kann das in der Verordnung vorgesehene Wahlrecht ausüben: In einem Testament können Betroffene bestimmen, dass für ihren Nachlass das Recht ihrer Staatsangehörigkeit gelten soll. „Handlungsbedarf besteht nun für all diejenigen, die im Ausland leben, aber trotzdem nach dem Recht ihres Heimatlandes vererben wollen“, erklärt Dr. Steiner. Testamentarisch können sie bestimmen, dass für ihren Nachlass nicht das Erbrecht ihres Wohnsitzes, sondern das ihrer Staatsangehörigkeit gelten soll.

Doch auch wer bereits ein Testament errichtet und jetzt im Ausland lebt, sollte dieses unbedingt überprüfen oder am besten von einem Erbrechtsexperten überprüfen lassen. Zwar bleibt ein Testament, das – egal in welchem Mitgliedstaat – nach den damals geltenden erbrechtlichen Vorschriften errichtet wurde, auch nach Inkrafttreten der Erbrechtsverordnung formell wirksam. Aber es kann zu Problemen mit der inhaltlichen Gültigkeit und bei der Auslegung kommen, wenn das Testament mit den Begriffen und nach den Regeln des damals anwendbaren Rechts verfasst wurde, die das Erbrecht der Wahlheimat nicht kennt.

Ein Beispiel: Frankreich, Italien und Spanien erkennen das im deutschen Recht vorgesehene und in Deutschland sehr beliebte Ehegattentestament nicht an. Bei einem deutschen Ehepaar, das in Deutschland ein Berliner Testament errichtet und dann nach Mallorca gezogen ist, kann dies dazu führen, dass die Verfügungen nicht anerkannt werden. Problematisch ist auch ein deutsches Testament, das etwa Vor- und Nacherbschaft anordnet, dann aber das Wohnsitzrecht – zum Beispiel das spanische Recht – zum Zug kommt, das diese Begriffe gar nicht kennt. Es wird sich zeigen, wie die nationalen Gerichte mit dieser Problematik umgehen werden.

Betroffene sollten von sich aus aktiv werden. Das deutsche Ehepaar mit Wahlheimat Mallorca und deutschem Berliner Testament muss nicht etwa das gesamte Testament ändern. Es genügt ein formwirksamer handschriftlicher Zusatz zu diesem Testament, von beiden Ehepartnern unterzeichnet, in dem sie ihr Wahlrecht ausüben und bestimmen, dass das deutsche Erbrecht für ihren Nachlass gelten soll. Wer jetzt ein neues Testament errichtet, kann auch – unabhängig davon, ob er Umzugspläne hat oder nicht – rein vorsorglich schon einmal eine Rechtswahlklausel mit in sein Testament aufnehmen und bestimmen, dass für seinen Nachlass das deutsche Erbrecht unabhängig von seinem Aufenthaltsort bei seinem Tode gelten soll.

Neu ist außerdem der europäische Erbschein, der den Erben eines auf mehrere Länder verteilten Nachlasses Kosten und Mühen spart. Künftig müssen sie sich nicht mehr in jedem Land ein dort gültiges Nachlasszeugnis ausstellen lassen, sondern können sich mit einem einzigen, europaweit gültigen Erbschein in jedem Mitgliedstaat als Vermögensnachfolger ausweisen, zum Beispiel beim Grundbuchamt oder bei der Bank. Steiner begrüßt die neue EU-Erbrechtsverordnung: „Die hohe Zahl von jährlich etwa 450.000 Erbschaften in der EU mit Auslandsbezug zeigt, dass es höchste Zeit war für eine einheitliche europäische Regelung. Das Erben in Europa wird damit einfacher, außerdem besteht für die Erben und künftige Erblasser mehr Rechtssicherheit, weil nun von vornherein klar ist, welche Rechtsordnung und welche Gerichte und Behörden im Erbfall zuständig sind. Die neue Regelung ist auch im Hinblick auf die Integration ausländischer Mitbürger in Deutschland zu begrüßen: Deren Nachlass wird künftig nach denselben Gesetzen abgewickelt wie der eines inländischen Erblassers.“

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